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Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen: Hyoscyamus niger

Hyoscyamus niger L.
(syn. Hyoscarpus niger, Hyoscyamus agrestis, H. auriculatus, H. bohemicus, H. lethalis, H. officinalis, H. pallidus, H. persicus, H. pictus, H. syspirensis, H. verviensis, H. vulgaris); Bilsenkraut (syn. Dullkraut, Gemeines Bilsenkraut, Rasenwurz, Saukraut, Schlafkraut, Schwarzes Bilsenkraut, Teufelswurz, Tollkraut, Zigeunerkraut), vgl. Abbildung.
Fam.: Solanaceae.
Vork.: Europa, West- und Nordasien, Nordafrika; in Ostasien, Nordamerika und Australien eingebürgert. Die Pflanze gilt als gefährdete Art!
Drogen: 1. Hyoscyami folium (syn. Folia Hyoscyami, Herba Hyoscyami, Hyoscyami herba, Hyoscyamus); Hyoscyamusblätter (syn. Bilsenkraut, Bilsenkrautblätter, Hühnertod, Säukraut, Schlafkraut, Tollkraut, Totenblumenkraut, Zigeunerkraut), die getrockneten Blätter mit blühenden Zweigspitzen und gelegentlich Früchten. Die Droge ist sehr stark giftig ! Inh.: Tropanalkaloide (0,03-0,28 %, v.a. S-(-)-Hyoscyamin bzw. Atropin und S-(-)-Scopolamin (Hyoscin) im Verhältnis von 2:1 bis 1:1; in Spuren Apoatropin, Belladonnin, Cuskhygrin sowie die N-Oxide der Alkaloide), Flavonoide, u.a. Rutin, Spuren von Cumarinderivaten. Anw.: bei Spasmen im Bereich des Gastrointestinaltraktes zur Krampflösung, in der Volksheilkunde auch zur Schmerzbekämpfung, bei Keuchhusten, Geschwüren und bei Unterleibsentzündungen. Die topische Anwendung von Zubereitungen mit Bilsenkrautöl (Oleum Hyoscyami) zur Behandlung von Narben wird bis in die jüngste Zeit hinein empfohlen. 2. Hyoscyami semen (syn. Semen Hyoscyami); Hyoscyamussamen (syn. Bilsenkrautsamen, Gichtkrautsamen, Saubohnensamen, Schlafkrautsamen, Tollkrautsamen, Zigeunerkrautsamen), die getrockneten Samen. Die Droge ist stark giftig! Inh.: Tropanalkaloide (0,05-0,3 %, v.a. S-(-)-Hyoscyamin, Atropin, S-(-)-Scopolamin, Atroscin), fettes Öl (15-30 %), Bitterstoff (Hyoscypicrin). Anw.: früher als Räuchermittel bei Asthma und Zahnschmerzen, auch innerlich in Form einer Emulsion oder eines Pulvers, heute obsolet. 3. Radix Hyoscyami. Inh.: Alkaloide. Anw.: Gewinnung der Alkaloide.
Hom.: Hyoscyamus niger (syn. Hyoscyamus) HAB1, die ganzen, frischen, blühenden Pflanzen. Anw.-Geb.: Unruhe und Erregungszustände, Schlafstörungen, spastische Zustände der Atemwege und des Verdauungstraktes.
Histor.: Das Bilsenkraut gehört zu den ältesten Giftpflanzen, die die indogermanischen Völker benutzten. Dioskurides und Plinius beschrieben die Droge und nutzten sie vielfältig zur Schmerzbehandlung. Bilsenkraut heißt bei Dioskurides Hyoskyamos und kommt vom griechischen hys, hyos (Schwein) und kyamos (Bohne), angeblich, weil Schweine das Kraut ohne Schaden fressen können. Der Name Bilsenkraut ist sehr alt und findet sich bei allen nordeuropäischen Indogermanen. Die Pflanze galt als Phanthasie- oder Tollkraut. Sie hieß im Altertum auch Apollinaris nach Apollo, dem Gott der Wahrsagerei. Im Mittelalter war die Droge das am häufgsten benutzte Anästhetikum für operative Eingriffe. Aber auch zur Jagd auf Vögel und zur Schädlingsbekämpfung (Ratten, Mäuse) wurden Bilsenkraut eingesetzt. Die Droge spielte als Mordgift eine gewisse Rolle, wie Shakespeare in seinem "Hamlet" über den Mord am Dänenkönig berichtet. Daß das Bilsenkraut auch einen Bestandteil der Hexensalben bildete, mit denen sich nach mittelalterlichem Glauben die Hexen vor ihrem angeblichen Flug durch die Luft einrieben, hängt sicher damit zusammen, daß die Tropanalkaloide halluzinogen Effekte des Fliegens und Visionen hervorrufen, wie man sie den Hexen als wirklich erlebt vorwarf ( Halluzinogene biogenen Ursprungs). Sogar die Bierbrauer bedienten sich früher der Droge um ihre Getränke berauschender zu machen.



Hyoscyamus niger, Bilsenkraut

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