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Lexikon der Biochemie: AIDS

AIDS, acquired immune deficiency syndrome, Immunschwächesyndrom, Immundefektsyndrom, bezeichnet das Krankheitsbild in der Endphase einer Infektion mit dem HIV (Humanen Immundefizienz-Virus). Die Infektion ist in dieser Phase durch eine systemische, d.h. sich auf den ganzen Körper erstreckende Immundefizienz gekennzeichnet, verbunden mit opportunistischen Infektionen. Voraus gehen mehrere Phasen, während derer die Immunreaktivität des Körpers zunehmend abnimmt, verbunden mit einem Abfall der Konzentration CD4-positiver T-Lymphocyten im Blut. Kurz nach der Infektion mit dem Virus kann es zunächst zu Grippe-ähnlichen Symptomen kommen, verbunden mit Fieber und Hautausschlägen, in manchen Fällen mit einem Krankheitsbild, das der Mononucleose vergleichbar ist. Die Viruskonzentration im Blut ist hoch, was zu einer Immunantwort gegen das Virus führt. Die Viruskonzentration sinkt dadurch, das Virus ist während der nächsten, nach etwa 6-12 Monaten beginnenden Phase nur noch latent in CD4-positiven T-Lymphocyten, Makrophagen sowie in einigen Nerven- und Darmzellen nachweisbar. In den T-Lymphocyten, von denen nur ein kleiner Teil infiziert ist, kommt es bei Antigen-Stimulierung zur Vermehrung und zur Freisetzung des Virus. Eine Immunantwort, auch gegen das Virus, führt also eher zu einer Vermehrung desselben. Subklinische Symptome während dieser Zeit sind anfangs eine chronische Vergrößerung der Lymphknoten (Lymphadenopathie), später können Funktionsstörungen in Tests für Überempfindlichkeitsreaktionen vom Spättyp nachgewiesen werden. Erste klinische Symptome sind danach virale und Pilzinfektionen der Haut und der Schleimhäute, bis es schließlich zum vollen Krankheitsbild von A. kommt. Die allgemeine Immunschwäche kann dabei zu Neuinfektionen (wie bei der Pneumonie durch Pneumocystis carinii; Pneumocystose) oder zu einer Aktivierung bisher kontrollierter Kinderinfektionen führen (z.B.durch das Cytomegalievirus oder bei Tuberkulose). Weiterhin können Tumore auftreten, wie etwa das Kaposi-Sarkom, ein Tumor der Blutgefäße in der Haut und in inneren Organen oder auch Lymphome. Diese Tumore, wie auch Störungen des Nervensystems können aber auch schon vor dem A.-Stadium einer Infektion mit HIV auftreten.
Bei A. handelt es sich jedoch keineswegs um eine erst in den letzten Jahren entstandene Krankheit. Sie hat aber durch die veränderten Lebensgewohnheiten der letzten Jahrzehnte eine schnelle Verbreitung erfahren. Der sehr unterschiedliche Krankheitsverlauf lässt die Beteiligung mehrerer für den Verlauf der Krankheit entscheidender Faktoren vermuten. Einige Forscher gehen sogar so weit, die Ursachen für die schädlichen Wirkungen nicht in der direkten Wirkung des Virus zu sehen, sondern in der Beteiligung verschiedener Funktionen des Immunsystems, die auf das Virus reagieren und dabei den Organismus des Infizierten schädigen. Wenn auch in einigen Untersuchungen auf die Stabilität von HIV in Abwässern hingewiesen wurde, bleibt doch die Übertragung an den engen Kontakt mit einem Träger des Virus gebunden. A. kann nicht durch die Luft, Insekten (Mückenstiche) oder andere Tiere übertragen werden. Zwar kann bei einer Infektion das Virus in verschiedenen Körperflüssigkeiten (Tränen, Speichel, Sperma, Blut) nachgewiesen werden; übertragen wird es jedoch nur – nach allem, was bekannt ist –, indem es direkt in die Blutbahn gelangt (z.B. über kleine Hautverletzungen). Die Hauptübertragungswege sind promiskuitiver homo- und heterosexueller Geschlechtsverkehr sowie der gemeinsame Gebrauch von Injektionsspritzen bei Suchtabhängigen. Jedoch können auch Neugeborene von HIV-positiven Müttern infiziert werden. Durch einen routinemäßigen Test von Blutkonserven auf HIV ist die Gefahr einer Ansteckung im Gefolge einer Bluttransfusion zumindest in der BR Deutschland nicht mehr gegeben.
Wegen der langen symptomfreien Phase bei vielen Infizierten ist deren Zahl viel höher als die der sichtbar Kranken. HIV wird deshalb auch zu den Lentiviren gerechnet (lateinisch lentus = langsam). Das Virus kann lange Zeit inaktiv vorliegen. Nach einem Jahr haben 0,3%, nach 7 Jahren 30 % und nach 10 Jahren 45% der Infizierten A. entwickelt. Eine dramatische Zunahme war dort festzustellen, wo Infektionen vorlagen, aber wenige Menschen akut erkrankt waren, d.h. in Afrika, in den Slums der amerikanischen Großstädte und in Thailand und Indien. Der Trend, dass sich A. auch unter der heterosexuellen Bevölkerung ausbreitet, hält weiterhin an. So wurde in Frankreich ein Drittel der Infektionen unter Heterosexuellen ohne weitere Risikofaktoren gemeldet, während die Zahl der Neuinfektionen bei Homosexuellen teilweise zurückgegangen ist. Nach Schätzungen haben sich bis 1999 etwa 50 Millionen Menschen mit HIV infiziert, darunter über 10 Millionen Afrikaner. Im südlichen Afrika sind in manchen Bevölkerungsgruppen vermutlich bis zu 50 % der Bevölkerung Träger des HIV. In Europa wurden von Beginn der Epidemie bis März 1998 208.000 HIV-Infektionen registriert, davon in Deutschland 50.000 (16.000 dieser Infizierten sind verstorben).
HIV2 ist entgegen ersten Meldungen nicht auf Afrika beschränkt. Dieser zweite Stamm des HIV macht in Bombay einen ähnlich hohen Anteil der Infektionen aus wie in Afrika. Entgegen der anfänglichen Meinung geht man heute davon aus, dass HIV2 genau so pathogen ist wie HIV1. Die beiden Virusfamilien sind untereinander weniger verwandt als mit den ihnen am nächsten stehenden Affen-Viren. Dabei ist HIV1 näher mit einem kürzlich entdeckten Schimpansen-Virus, HIV2 mehr mit einem Virus des Rhesusaffen verwandt. Der Stammbaum der beiden Virusfamilien hat sich vermutlich vor ca. 900 Jahren aufgeteilt. Einige der Affenviren rufen in ihrem Wirt keine Krankheit hervor. Offensichtlich sind die Viren in diesen Tieren unter Kontrolle. Die starken Unterschiede im Verlauf der Krankheit beim Menschen lassen sich z.T. auf die große Variabilität des Virus zurückführen, die im Träger zu einer Art Mini-Evolution führt. Es kann dabei auch zur Rekombination zwischen verschiedenen Virus-Genomen kommen. Neben den anfänglich als Träger des Virus identifizierten T-Zellen konnte das Virus mittlerweile auch in Makrophagen und Monocyten nachgewiesen werden und damit in weiteren Klassen von Zellen, die bei einer Immunantwort eine wichtige Rolle spielen. Die Tatsache, dass das Virus auch in den dendritischen Zellen der Lymphknoten gefunden werden kann, lässt eine Übertragung des Virus über diese Zellen vermuten: die dendritischen Zellen präsentieren nämlich während einer Immunantwort auf ihrer Oberfläche Antigenfragmente und locken so die T-Zellen an, die diese Fragmente erkennen. Diese T-Zellen können dabei durch das Virus infiziert werden. Neben den Immunzellen wird das Virus noch in Fibroblasten, Darmzellen, Endothelzellen und in Zellen neuronalen Ursprungs gefunden. Eine besondere Bedeutung bei A. wird den Superantigenen zugeschrieben, deren Aktivierung die selektive Zerstörung einer großen Zahl der Blutzellen erklären könnte. Auch die Aktivierung zellulärer "Selbstmordprogramme" (Apoptose), die bei der Entwicklung des Immunsystems eine Rolle spielen, wird als Erklärung für die Abnahme an Blutzellen herangezogen.
Tiermodelle für AIDS. Bei der Suche nach Affenarten, die leichter zu halten sind als die dem Menschen am nächsten verwandten Schimpansen und trotzdem ein Modell für A. abgeben, hat sich herausgestellt, dass Schweinsaffen im Gegensatz zu den nahe verwandten Rhesusaffen und Javaneraffen mit HIV1 infiziert werden können. Dabei kommt es zu Schwellungen der Lymphknoten und zu Fieber, allerdings nicht zu A.-ähnlichen Symptomen. Das Virus und antivirale Antikörper konnten ebenfalls nachgewiesen werden. Das Affenvirus SIV (Abk. für simian immunodeficiency virus) wurde ebenfalls benutzt, um in Affen den Verlauf der Krankheit, die durch dieses Virus induziert wird, zu untersuchen. Auch das SI-Virus löst in Affen eine tödliche Immunschwäche aus. Dabei ist es gelungen, durch eine Impfung mit abgetötetem SIV einen Immunschutz zu erreichen. Spätere Kontrollexperimente schließen aber die Möglichkeit nicht aus, dass der Immunschutz dadurch zustande kommt, dass das Immunsystem der Affen auf Verunreinigungen in dem Impfstoff reagiert, die von den menschlichen T-Zellen stammen, in denen das Virus gezüchtet worden war. Ein weiteres Tiermodell ist das Pferde-Virus EIAV (Abk. für equine infectious anemia virus), das ebenfalls bei der Entwicklung und beim Test von Vakzinen benutzt wurde. Ein Katzen-Modell ist FIV (Abk. für feline immunodeficiency virus), wie HIV ein Lentivirus (benannt nach dem langsamen Voranschreiten der Krankheit), und FeLV (Abk. für feline leukaemia virus). In Mäusen werden Viren des FLVC (Abk. für friend leukaemia virus complex) untersucht.
Zellmodell für AIDS. Eine Zell-Linie (U1) mit Monocyten/Makrophagen-Ähnlichkeit konnte mit Erfolg als Modell für eine Infektion mit HIV eingesetzt werden. In Kultur bilden nur wenige der Zellen Viren (vermutlich ähnlich wie viele Zellen während der Latenzphase in einem Patienten). Sie können aber mit TNFα oder Phorbolestern zur Virus-Produktion angeregt werden.
Cytokine und AIDS. Bei A. kommt es zu Veränderungen in der Konzentration der Interleukine. Am stärksten betroffen ist dabei Il-2, das hauptsächlich von T-Zellen produziert wird und neben T-Zellen selbst auch die Aktivität von natürlichen Killer-Zellen (NK-Zellen) sowie die Interferon-γ-Synthese stimuliert. Der Defekt der Il-2-Produktion und der Expression des Rezeptors für Il-2 ist im Zusammenhang mit den Defekten in den T-Zellen der A.-Patienten zu sehen. Auch Il-1 und Il-6 sind in Patienten betroffen, beide hauptsächlich von Makrophagen produziert, die ebenfalls von dem HIV infiziert werden können. Beide Interleukine aktivieren Lymphocyten, Il-6 wirkt auch als Akutphasenprotein, besonders in der Leber. Beide Interleukine werden durch mononukleäre Zellen des Blutes von Patienten unter stimulierenden in-vitro-Bedingungen produziert, was bei normalen Zellen nicht der Fall ist. Von den Interferonen (INFα, INFβ und INFγ, wobei nur INFα und INFγ von Leucocyten produziert werden und als Immun-Interferone betrachtet werden) ist das von T-Zellen gebildete INFγ in A.-Patienten erniedrigt – vermutlich ein wichtiger Faktor bei der Anfälligkeit für virale Infektionen und Tumore. Der hauptsächlich durch Makrophagen produzierte TNFα wird ebenfalls als wichtig für die Entwicklung der Krankheit angesehen. Der Spiegel ist in A.-Patienten erhöht und führt zur Aktivierung der HIV-Replikation und zur Bildung von Syncytien in HIV-infizierten Zell-Kulturen. Darüber hinaus könnte TNFα an der Lyse auch nicht-infizierter Zellen beteiligt sein. Die beobachteten Veränderungen der Cytokin-Konzentrationen konnten teilweise in Tiermodellen für A. (s.o.) bestätigt werden, wo sich mehr Möglichkeiten für experimentelle Eingriffe anbieten. A. kann aufgrund der Ergebnisse von Beobachtungen beim Menschen und bei den Tiermodellen als eine Disregulation des Immunsystems angesehen werden, bei der die Veränderung der Cytokin-Konzentration eine wichtige Rolle spielt. Auch bei den Autoimmunreaktionen, die bei A. beobachtet werden können, ist die Veränderung des Immungleichgewichts von Bedeutung. Dabei treten Phänomene auf, die Ähnlichkeiten mit Erscheinungen des Alterungsprozesses aufweisen, weshalb A. auch von manchen Betroffenen als "Altern im Zeitraffertempo" beschrieben wurde.
AIDS-Impfstoff. Bei der Entwicklung von Impfstoffen (Vakzinen) gegen den Erreger der Immunschwäche A. wird sowohl versucht, einen prophylaktischen Impfstoff – also einen Impfstoff, der vor einer Infektion mit dem Virus gegen die Krankheit schützt – als auch einen therapeutischen Impfstoff, der zur Behandlung nach Infektion mit dem Virus verwendet werden kann, zu entwickeln. Wegen der großen Variabilität des Virus wurden durch den Vergleich verschiedener Virusisolate die konservierten Regionen bestimmt, die für einen Impfstoff am besten geeignet sind. Dies sind Bereiche, die für die Funktion des Virus notwendig sind und daher nicht verändert werden können, z.B. die Bereiche der Virushülle, welche die Bindung an die CD4-Moleküle der T-Zellen vermitteln. Um eine prophylaktische Impfung zu erreichen, kann das Immunsystem durch chemisch oder gentechnologisch inaktivierte Viren oder durch Bruchstücke des HIV (besonders geeignet sind die konservierten Bereiche) zur Produktion von Antikörpern angeregt werden. Eine deutliche Korrelation zwischen der in-vitro-Fähigkeit der Antikörper, das Virus zu neutralisieren, und einem in-vivo-Schutz ist jedoch nicht festzustellen. In Affen kann ein Immunschutz gegen SIV nur durch ein langes und intensives Impfschema erreicht werden. Anfängliche deutlichere Erfolge bei Impfungen von Affen gegen A. stellten sich als Artefakte heraus, hervorgerufen durch die Kultivierung des Virus in menschlichen Zell-Linien, die sich als das eigentliche Immunogen erwiesen. Auch die Dauer des Immunschutzes beschränkte sich auf mehrere Monate. Probleme ergeben sich, wenn diese Immunisierungsschemata zur Behandlung bereits Infizierter angewendet werden sollen. Bei jeder Aktivierung des Immunsystems bereits Infizierter durch eine aktive Immunisierung besteht die Gefahr, auch das in den CD4-T-Zellen ruhende HIV zu aktivieren. Ein Ausweg wäre hier eine passive Immunisierung, die im Tierversuch mit Erfolg durchgeführt wurde. Antikörper aus Mäusen gegen den konservierten Bereich der Virushülle schützten Schimpansen vor einer Infektion mit HIV. Eine weitere Alternative besteht in einer Immunisierung mit Antikörpern, die der Virushülle ähnlich sehen und wie die Viren an die Rezeptoren der T-Zellen binden und diese dadurch für die Viren blockieren. Eine gänzlich andere Strategie wird von anderen Forschern bevorzugt, die in einer Stärkung der zellulären Abwehr die beste Methode sehen, den Ausbruch von A. bei HIV-Infizierten zu verhindern. Tatsächlich weisen einige HIV-Infizierte weder Antikörper gegen das Virus noch die typischen A.-Symptome auf. Dagegen ist ihr Titer an Virus-spezifischen T-Zellen erhöht. In Tierversuchen führt die Immunisierung mit niedrigen Mengen an Virus-Antigen zu einer Stimulierung der zellulären Abwehr, während größere Mengen spezifische Antikörper induzieren. Nur im ersten Fall sind die Tiere geschützt. Auch eine Immunisierung mit DNA, nicht mit Proteinen des Virus, wird erprobt. Defekte Viren, welche die Vermehrung des kompletten Virus in Patienten verhindern sollen, und retrovirale Konstrukte, bei denen Toxine in infizierten Zellen aktiviert werden und diese abtöten, werden ebenfalls in Zellkultur getestet. Ob es gelingen wird, ein protektives (also vor Infektion schützendes) Vakzin zu entwickeln, ist momentan noch ungewiss. Die Entwicklung therapeutischer Vakzine (zur Behandlung der Krankheit) könnte schon früher zu Erfolgen führen. So bewirkte die Impfung mit dem viralen Glycoprotein 160 eine Erhöhung des Titers neutralisierender Antikörper und eine Erhöhung der proliferativen Antwort von T-Zellen. Die Abnahme der CD4-positiven T-Zellen konnte ebenfalls aufgehalten werden. Probleme bereiten weiterhin die Variabilität des Virus und die Tatsache, dass dieses oft in Zellen und damit für das Immunsystem schwer zugänglich übertragen wird. Wie bei der Grippe-Impfung müssen eventuell regionale Impfstoffe mit Spezifität für einzelne Virus-Subtypen entwickelt werden. In der klinischen Erprobungsphase befindet sich die Benutzung Virus-ähnlicher Partikel (VLP; Partikel, die z.B. in Hefen durch springende Gene hergestellt werden und als besonders immunogen gelten) als Vehikel für HIV-Proteine. Ein weiterer Vorteil ist die einfachere Reinigung von Proteinen, die mit den VLPs assoziiert sind und für Impfstoffe verwendet werden sollen. Hypothesen, nach denen A. als eine Autoimmunkrankheit anzusehen ist, stellen allerdings den Erfolg von Impfungen zumindest im A.-Stadium der Krankheit in Frage.
Therapie. Zunehmend setzt sich bei der Behandlung von A. die Kombinationstherapie durch, wobei bisher hauptsächlich eine Kombination von Nucleotidanaloga (AZT, DDI und DDC) verwendet wird. Neben anderen Proteinen des Virus (z.B. den Produkten der tat- und rev-Gene) wird versucht, die für die Reifung des Virus notwendige Protease zu hemmen. Verwendet wird dabei ein kleines Proteinmolekül, welches das aktive Zentrum der Protease blockiert. Heftig diskutiert wird derzeit der günstigste Zeitpunkt für den Beginn einer Chemotherapie. So sahen einige amerikanische Studien in einer frühen Gabe von AZT, vor Auftreten der typischen A.-Symptome, den erfolgversprechendsten Weg. Die europäische Concorde-Studie ergab dagegen, dass eine Behandlung nur dann sinnvoll ist, wenn bereits Symptome auftreten. AZT verzögert laut dieser Studie, an der 1.700 Infizierte teilnahmen, bei frühzeitiger Einnahme weder das Auftreten der Beschwerden noch vergrößert es die Überlebenschance. In jedem Fall gilt, dass es einige Zeit nach Beginn der Therapie mit AZT zum Auftreten resistenter Varianten des Virus kommt, gegen die das Medikament nicht mehr wirkt. Bei einer frühzeitigen Behandlung mit AZT wäre die Wirksamkeit des Mittels ausgereizt, wenn die schwierigste Phase des Leidens beginnt. Der bisher verwendete Parameter zur Beurteilung des Zustands eines HIV-Infizierten, der Titer an CD4-T-Zellen, wurde in dieser Studie ebenfalls als Kriterium in Frage gestellt. In Zellkultur haben sich auch Ribozyme bewährt, die gegen die virale RNA gerichtet sind. Der Vorschlag, A. durch Immunsuppressiva (Immunsuppression) zu behandeln, beruht auf der Tatsache, dass HI-Viren potenziell bei jeder Immunantwort in den T-Zellen, in deren Mehrzahl sie ruhen, aktiviert werden können. Bei Patienten, die Organtransplantate und mit HIV verseuchte Bluttransfusionen vor Einführung des Antikörpertests erhielten, wurde nach der Operation mit Immunsuppressiva behandelt. Einige dieser Patienten starben bald, andere schienen gegen A. genauso gut oder besser geschützt zu sein wie andere HIV-Infizierte. Besonders Immunsuppressiva, welche T-Zellen, also die Zielzellen des HIV, inhibieren (Cyclosporin und FK 506), scheinen wirksam zu sein. Offensichtlich steht diese Therapie im Gegensatz zu einem Konzept der Behandlung, das auf die Wirksamkeit einer aktiven Immunisierung setzt. Welches der beste Weg zur Behandlung von A. ist, wird sich am Patienten zeigen müssen, bei dem in-vitro-Ergebnisse oft in einem anderen Licht erscheinen. – Weitere Ansätze für eine Therapie: Fusionen zwischen CD4, dem Rezeptor für HIV, und einem Toxin sollen an infizierte Zellen andocken und diese abtöten; Inhibitoren der für die Reifung von HIV nötigen RNase sollen die Replikation des Virus hemmen; die Hydrophobizität des viralen gag-Genprodukts soll durch die Gabe von Analoga der Myristinsäure (die normalerweise in der Zelle an das Genprodukt angehängt wird) verändert werden; die Lokalisierung des gag-Genprodukts würde sich ändern, und es könnte seine Funktion nicht mehr wahrnehmen. Die Einführung von Genen, welche die Replikation von HIV verhindern, in die potenziellen Zielzellen des Virus wird meist mit Retroviren durchgeführt, wobei zum Teil auch regulatorische Sequenzen des Virus benutzt werden. Die Risiken von Infektionen durch diese Konstrukte sowie die Risiken des Auftretens von Mutationen und Rekombinationen bei dieser Methode bleiben noch abzuschätzen. Ähnlich wie bei der Krebstherapie wird auch versucht, die zelluläre Immunantwort durch die Entnahme von körpereigenen Zellen, die genetisch verändert und in den Organismus zurückinjiziert werden, zu stimulieren. Eine genetische Veränderung ist z.B. die Einführung des Gens für die virale Hülle in diese Zellen, um die Immunantwort gegen dieses Genprodukt zu stimulieren. Eine weitergehende Hoffnung besteht darin, die Blutzellen eines Patienten zu entnehmen, außerhalb des Körpers von infizierten Zellen zu reinigen und danach die gereinigte Zellpopulation dem Patienten zurückzugeben. Voraussetzungen sind empfindliche Nachweismethoden für infizierte Zellen und eine an die Behandlung anschließende Stimulierung des Immunsystems, um die verlorenen Zellen zu ersetzen. Wichtig ist weiterhin das genaue Studium der Kinetik der verschiedenen Cytokine während einer Infektion mit HIV. TNF und IL-6 z.B. fördern vermutlich die Replikation des Virus und kommen deshalb als Ziel einer therapeutischen Intervention in Frage, andere Cytokine (Interferon-α) blockieren die virale Replikation in vitro.

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