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Kompaktlexikon der Biologie: transfer-RNA

transfer-RNA, Abk. tRNA, kleine Ribonucleinsäure-Moleküle, die während der Translation als Adaptormoleküle („Vermittler“) zwischen der in der messenger-RNA (mRNA) gespeicherten genetischen Information und der Aminosäuresequenz des entstehenden Polypeptids fungieren. Dies ist möglich, weil für jede proteinogene Aminosäure mindestens eine, meist jedoch bis zu sechs t-RNA-Spezies existieren (so genannte Isoakzeptoren). Die hohe Spezifität wird durch die als Anticodon bezeichnete Sequenz im tRNA-Molekül ermöglicht, die alleine für den Einbau der mit der tRNA verbundenen Aminosäure verantwortlich ist (Wobble-Hypothese). Im Unterschied zu den anderen beiden RNA-Spezies kommen bei tRNAs zahlreiche Modifikationen vor, die auf Methylierung (Guanosin → 7-Methylguanosin), Desaminierung (Guanin → Inosin), Schwefelsubstitution (Uridin → 4-Thiouridin), Basenumlagerungen (Uridin → Pseudouridin) und auf die Sättigung vorhandener Doppelbindungen (Uridin → Dihydrouridin) zurückzuführen sind.

Das Vorhandensein von tRNAs wurde in den 1950er-Jahren erstmals von F. Crick vermutet; in den 1960er-Jahren gelang es R. Holley die vollständige Sequenz einer tRNA zu ermitteln.

Die Sekundärstruktur der zwischen 73 und 95 Nucleotiden umfassenden tRNA-Moleküle wird aufgrund von intramolekularen Basenpaarungen auch als Kleeblattstruktur bezeichnet und gliedert sich in bestimmte Domänen, die unterschiedliche Funktionen wahrnehmen ( vgl. Abb. ). So ist der aus den beiden Enden bestehende, sieben Basenpaare umfassende Bereich, der als Stamm oder Akzeptor-Arm bezeichnet wird, für die Anbindung der jeweiligen Aminosäure verantwortlich. Der Anticodon-Arm enthält die für die Translation erforderliche Information, wohingegen die anderen beiden Arme aufgrund des Vorhandenseins modifzierter Nucleotide als DHU-Arm (Dihydrouracil) und TΨC-Arm (Pseudouracil) bezeichnet werden. Sie dienen vor allem der Stabilisierung der tRNA-Moleküle. Die Tertiärstruktur der tRNAs wurde durch Röntgenstrukturanalyse bestimmt und wird als so genannte L-Form bezeichnet ( vgl. Abb. ).

Die Aminoacylierung oder Beladung der tRNAs erfolgt durch die Bildung einer kovalenten Bindung zwischen der Carboxylgruppe am C-Terminus der Aminosäure und einer OH-Gruppe am 3'-Ende der tRNA ( vgl. Abb. ). Diese Reaktion wird durch so genannte Aminoacyl-tRNA-Synthetasen katalysiert, wobei für jede Aminosäure ein eigenes Enzym existiert; Isoakzeptoren werden somit durch dasselbe Enzym beladen. Die Enzyme stellen eine heterogene Gruppe dar, deren Reaktion sich wie folgt beschreiben lässt:

Aminosäure + ATP + tRNA → Aminoacyl-tRNA + AMP + PPi

Dabei entsteht zunächst ein Anhydrid zwischen der Aminosäure und dem AMP; die so aktivierte Aminosäure wird anschließend auf die OH-Gruppe der Ribose am 3'-Ende der tRNA übertragen (Esterbildung). Die dabei entstehende energiereiche Bindung wird später während der Translation zur Bildung der Peptidbindung zwischen der Aminosäure und der wachsenden Polypeptidkette genutzt. Aminoacyl-tRNA-Synthetasen lassen sich in zwei Klassen einteilen, wobei Klasse I die Aminosäuren mit der 2'-OH-Gruppe der Ribose am 3'-Ende verknüpft, Enzyme der Klasse II hingegen die Veresterung mit der 3'-OH-Gruppe katalysieren.

Prokaryotische und eukaryotische tRNAs werden durch RNA-Polymerasen als Vorläufer-tRNAs (Precursor) transkribiert und anschließend einer Prozessierung unterzogen. Bei Escherichia coli kommen 80 tRNA-Gene vor, die teilweise in den Transkriptionsabschnitten für ribosomale RNA vorliegen. Für eine Reihe von tRNA's, die häufige Codons bedienen, liegt im Bakteriengenom somit mehr als eine Kopie vor.



transfer-RNA:1Sekundärstruktur („Kleeblattstruktur“) einer transfer-RNA mit den wichtigsten Merkmalen, die für die Funktion des Moleküls verantwortlich sind. 2Tertiärstruktur („L-Form“), die durch nicht eingezeichnete Wasserstoffbrücken stabilisiert wird, wodurch der Akzeptor-Arm, an den die Aminosäurebindung erfolgt, und der Anticodon-Arm an den äußersten Enden der dreidimensionalen Struktur liegen



transfer-RNA: Lineare Nucleotidsequenz eines tRNA-Moleküls. Die Lage von DHU-Arm, Anticodon-Arm, TΨC-Arm und dem CCA-Ende, an dem die Aminoacylierung erfolgt, sind von links nach rechts (5'-3'-Richtung) hervorgehoben



transfer-RNA: Aminoacylierung („Beladung“) einer transfer-RNA mit einer Aminosäure am Beispiel von Tryptophan. Die Spezifität der Beladung garantiert, dass während der Translation durch eine Codon-Anticodon-Erkennung die richtige, d.h. dem genetischen Code eines Gens entsprechende Aminosäure für die Proteinsynthese verwendet wird

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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