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Kompaktlexikon der Biologie: Vogelflug

Vogelflug, die bei fast allen Vögeln vorhandene Fähigkeit zum aktiven Flug mit Hilfe der Vogelflügel. Die einfachsten Verhältnisse in der Flugmechanik des V. finden sich beim Gleitflug eines von einem höheren zu einem niedrigeren Punkt schwebenden Tieres, wobei nur potenzielle in kinetische Energie umgewandelt wird. Vortreibende Kraft ist eine in Richtung der Flugbahn weisende Komponente (K1) der Schwerkraft (G) ( vgl. Abb. ). Durch den Fahrtwind wird an den Flügeln ein Auftrieb (A) und eine Widerstandskraft (R) erzeugt mit der resultierenden Luftkraft (L), die im Kräftegleichgewicht mit G den Vogel auf eine geradlinig abwärts weisende Bahn bringen. Der Segelflug ist ein Spezialfall des Gleitflugs, bei dem sich der Vogel in aufwärts strömenden Luftmassen bewegt. Gleicht der Aufwind den Höhenverlust durch das Gleiten gerade aus, so segelt der Vogel horizontal dahin, überwiegt er, kann der Vogel sogar höher steigen.

Beim freien Flug oder Schlagflug müssen Auftriebs- und Vortriebskräfte vom Vogel selbst erzeugt werden. Der Flügelschlag umschließt eine von hinten oben nach vorn unten weisende Ellipse. Dabei führen die Handschwingen eine größere Bahn aus als der Arm. Zugleich ändert sich die Stellung des Flügels. Beim Abschlag weist die Vorderkante nach schräg unten, beim Aufschlag nach schräg oben. Die Kräfteverteilung gestaltet sich etwas komplexer als beim Gleitflug. Durch den Flügelschlag wird ein zur Schlagrichtung entgegengesetzter Schlagwind (Sw) erzeugt. Gemeinsam mit dem Fahrtwind (Fw) ergibt er den kräftewirksamen Anblaswind (Aw). Durch die geänderte Flügelstellung beim Auf- und Abschlag kann dieser so angreifen, dass in beiden Schlagphasen Auftrieb (A) erzeugt wird. Vortrieb (V) entsteht nur beim Abschlag, der den Luftmassen einen nach hinten gerichteten Impuls verleiht. Der Aufschlag ruft einen deutlich kleineren Rücktrieb (Rt) hervor. Die Massenträgheit des Vogels ermöglicht dennoch einen gleichmäßigen Flug. Eine besondere Form des Schlagflugs ist der Bogenflug, bei dem mit einigen schnellen Flügelschlägen eine hohe Geschwindigkeit erzeugt wird, sodann die Flügel an den Körper gelegt werden und somit kein Auftrieb mehr erzeugt wird. Verringert sich die Geschwindigkeit durch den Luftwiderstand und die Flughöhe wird geringer, folgen erneute Flügelschläge. Aus dem Gesamtablauf resultiert eine bogenförmige Flugbahn.

Der Rüttelflug (Flug auf der Stelle) unterliegt bei Gegenwind derselben Flugmechanik wie der Schlagflug. Die Vortriebskomponente wird jedoch so gehalten, dass sie durch den Gegenwind gerade ausgeglichen wird (z.B. beim rüttelnden Falken). Beim Rüttelflug in unbewegter Luft muss der Auftrieb allein durch den Flügelschlag bewirkt werden, da der entsprechend wirksame Fahrtwind fehlt (z.B. beim Kolibri). Der Vogelkörper nimmt eine fast vertikale Haltung ein. Seine weit gespreizten Flügel weisen beim Abschlag mit der Unterseite nach vorn unten, beim Aufschlag mit der Oberseite nach hinten unten. Sie wirken wie eine Luftschraube (vergleichbar dem Hubschrauber), wobei die durch Auf- und Abschlag hervorgerufenen rücktreibenden Kräfte sich gegenseitig aufheben und so einen Flug auf der Stelle ermöglichen.

Die Richtungssteuerung des V. ist in allen genannten Fällen durch eine Verschiebung der Kräfterelation (z.B. durch Änderung des Flugwinkels, des Widerstands oder der Flügelgröße) möglich.



Vogelflug: 1 Schlagflug. a Flügelstellung vor Beginn des Abschlags, b während des Aufschlags; die gestrichelten Pfeile geben die Schlagrichtungen an; c und e zeigen die Hautrichtungen der erzeugten Luftströmungen bei Ab- bzw. Aufschlag, d und f zeigen die bei Ab- bzw. Aufschlag wirksamen Kräfte (Kräfteparallelogramme). 2 Gleitflug. a Schema eines Vogels im Gleitflug auf einer Gleitbahn, die um den Winkel α von der Horizontalen abweicht, b Wirkungsschema der Kräfte. 3 Rüttelflug (Kolibri). a Bei Beginn der Abschlagsphase, b zu Beginn des Aufschlags (jeweils mit Kräfteparallelogramm)

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Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
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Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
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Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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