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Kompaktlexikon der Biologie: Blutgruppen

Blutgruppen, genetisch bedingte antigene Eigenschaften des Blutes (Blut) bzw. von Blutbestandteilen (Blutzellen), die eine Einteilung nach verschiedenen serologisch bestimmbaren Kriterien innerhalb des Blutgruppensystems ermöglichen. Die Kenntnis der B. ist wichtig zur Feststellung der Gewebeverträglichkeit (Histokompatibilität) vor Bluttransfusionen und Transplantationen von Geweben und Organen oder zur Identifizierung von Individuen, z.B. zum Vaterschaftsnachweis sowie in der Kriminalistik.

Die B. werden durch die Blutgruppenantigene festgelegt. Diese sind meist Polysaccharid-Aminosäure-Komplexe, die auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen (Erythrocyten) sitzen. Sie unterscheiden sich durch stereoisomere Eigenschaften des Polysaccharidanteils und können durch Agglutination mit spezifischen Blutgruppenantikörpern identifiziert werden. Aufgrund ihrer agglutinierenden Eigenschaften bezeichnet man diese Antikörper auch als Hämagglutinine. Beim Menschen sind Hunderte von Antigenen auf Erythrocyten bekannt, die zusammen viele Milliarden Kombinationsmöglichkeiten ergeben. Allerdings bilden nur wenige Antigenkombinationen Blutgruppensysteme, die aufgrund ihrer starken Agglutinationsreaktion von Bedeutung sind. Neben dem am häufigsten verwendeten AB0-System nach K. Landsteiner ( vgl. Abb. ) können noch weitere B.-Systeme mit circa 60 verschiedenen Antigenen zur B.-Bestimmung herangezogen werden. Die B. bleiben i.d.R. während des ganzen Lebens konstant. Bei Leukämien können sich im Verlauf der Krankheit die Blutgruppeneigenschaften ändern. Bei Transfusion von nicht kompatiblem Blut kommt es zur Agglutination von Erythrocyten und damit zur Verstopfung von Kapillaren sowie zur Hämolyse mit nachfolgender Nierenschädigung. Inkompatibilität der Blutgruppen von Mutter und Fetus kann in der Schwangerschaft zum Fruchttod, zu Fehlgeburten oder zu Anämie und Gelbsucht beim Neugeborenen führen. Neben den B.-Eigenschaften der Erythrocyten gibt es B.-Eigenschaften, die auf Oberflächenstrukturen von weißen Blutkörperchen (Leukocyten) und Blutplättchen (Thrombocyten) beruhen. Das bekannteste ist das HLA-System, das für die Organtransplantation von Bedeutung ist und dessen antigene Strukturen auf der Oberfläche sämtlicher kernhaltiger Zellen des Körpers, also auch der Leukocyten vorkommen. Auch spezifische Eigenschaften des Blutserums, i.d.R. Polymorphismen von Serumproteinen, können als B.-Merkmal dienen und werden vor allem zur Vaterschaftsuntersuchung herangezogen. Dazu gehören u.a. Haptoglobin, Immunglobuline sowie die Isoformen von Enzymen (Isoenzyme).

B. sind geografisch unterschiedlich verteilt und erlauben dem Anthropologen, Rückschlüsse auf die Herkunft von Bevölkerungsgruppen zu ziehen. Mitteleuropäer besitzen zu jeweils ca. 40 % die Blutgruppe A und 0, etwa 10 % die Gruppe B und ca 6 % die Gruppe AB. Dagegen haben mehr als 90 % der amerikanischen Indianer die Gruppe 0 und Zentralasiaten zu mehr als 20 % die Gruppe B.

B. sind von vielen Tieren, insbesondere den höheren Wirbeltieren, bekannt. Bei Menschenaffen sind die größten Ähnlichkeiten zu B.-Systemen des Menschen anzutreffen; auch sie besitzen ein AB0-System. Der Rhesusfaktor wurde zunächst bei Rhesusaffen entdeckt, bevor er auch für den Menschen beschrieben wurde. Bei Haustieren sind B. für den Elternnachweis und für die Zucht von Interesse.



Blutgruppen: AB0-System. Agglutinationsschema bei Transfusion zwischen verschiedenen Blutgruppen



Blutgruppen: Übersicht über die vier menschlichen Blutgruppen

  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Biol. Elke Brechner (Projektleitung)
Dr. Barbara Dinkelaker
Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
Professor Dr. Helmut König, Institut für Mikrobiologie und Weinforschung, Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Professor Dr. Siegbert Melzer, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich
Professor Dr. Walter Sudhaus, Institut für Zoologie, Freie Universität Berlin
Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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