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Kompaktlexikon der Biologie: Arabidopsis thaliana

Arabidopsis thaliana, Ackerschmalwand, Wildpflanze aus der Familie Brassicaceae mit Verbreitung in Europa, Asien und Nordamerika. Bei jungen Pflanzen bildet das apikale Sprossmeristem zunächst eine Blattrosette aus; es wird nach der Blühinduktion in ein Infloreszenzmeristem umgewandelt, welches die primäre Infloreszenz ausbildet ( vgl. Abb. ). Dabei entstehen aus bereits gebildeten Blattprimordien an der Sprossachse kleine Tragblätter, aus deren Achselknospen sich später sekundäre Infloreszenzen bilden. Die nur 2 – 3 mm langen Blüten von A.t. sind selbstbestäubend, können jedoch für bestimmte Fragestellungen auch von Hand bestäubt werden.

Obwohl ihr Potenzial als genetischer Modellorganismus bereits in den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts durch F. Laibach (1885-1966) erkannt wurde, hat sich A.t. vor allem mit Aufkommen der pflanzlichen Molekularbiologie in den vergangenen 20 Jahren zu deren wichtigster Modellpflanze entwickelt. A.t. spielt inzwischen dieselbe Rolle, die z.B. das Bakterium Escherichia coli, die Taufliege Drosophila melanogaster oder der Nematode Caenorhabditis elegans bei der Erforschung von grundlegenden physiologischen und biochemischen Phänomenen und deren molekularer Kontrolle inne haben. Das Arabidopsis-Genom ist auf fünf Chromosomen verteilt und mit 1 x 108 Basen im Vergleich zu dem anderer Pflanzenarten und auch zu dem der oben genannten Modellorganismen relativ klein.

Zu den praktischen Vorteilen, die A.t. für die Laborarbeit bietet, zählen u.a. der kurze Entwicklungszyklus von lediglich sechs Wochen, die große Anzahl an mehreren Tausend Samen, die pro Pflanze geerntet werden können, und ihre mit einer Wuchshöhe von etwa 30 cm geringe Größe. Hinzu kommt, dass Keimlinge und junge Pflanzen auch in Petrischalen auf agarhaltigem Nährmedium gedeihen können. Auf diese Weise können viele Tausend Einzelpflanzen auf einmal untersucht werden. Vor allem die Tatsache, dass sich die Pflanze leicht gentechnisch verändern lässt (Pflanzentransformation) und es möglich ist, mit geringem Aufwand Mutationen erzeugen zu können (Mutagenese), sind wichtige Gründe für den Erfolg des eher unscheinbaren Ackerunkrauts als Untersuchungsobjekt. Bei der Transformation hat sich inzwischen die so genannte in planta-Transformation etabliert, bei der blühende Pflanzen kopfüber in eine speziell behandelte Agrobakterien-Lösung getaucht werden. Bei einem geringen Anteil von durchschnittlich 0,01 % der Nachkommenschaft lässt sich eine erfolgreiche Transformation nachweisen. Die Tatsache, dass nach der Transformation viele Tausend Samen geerntet und auf die Anwesenheit eines übertragenen Gens hin überprüft werden können, führt i.d.R. zu einer ausreichenden Anzahl an transgenen Pflanzen.

Von A.t. sind heute eine Vielzahl von Rassen (so genannte Ökotypen) bekannt, die sich in ihren physiologischen (z.B. Blühbeginn) und genetischen Eigenschaften (z.B. RFLP-Muster) deutlich voneinander unterscheiden können. A.t. ist deshalb vielseitig für die Untersuchung verschiedener Fragestellungen verwendbar. Die weltweiten Bemühungen, das Arabidopis-Genom komplett zu sequenzieren, wurden Ende 2000 erfolgreich abgeschlossen. A.t. besitzt demnach 25498 Gene, die für Proteine aus ca. 11000 unterschiedlichen Proteinfamilien codieren. Entgegen langjähriger Annahmen, die überwiegend von Einzelkopiegenen ausgingen, stellte sich heraus, dass im Verlauf der Evolution nahezu 60 Prozent des A.t.-Genoms dupliziert wurden. Außerdem besitzt die Pflanze zahlreiche Gene, die große Ähnlichkeiten zu Genen aufweisen, die beim Menschen Krankheiten wie Mukoviszidose oder Brustkrebs verursachen. Mit Hilfe der vorhandenen Sequenzinformation können Nutzpflanzen züchterisch und gentechnisch verbessert werden.



Arabidopsis thaliana: Schematische Darstellung von Arabidopsis thaliana. Nach der Blühinduktion entsteht zunächst eine primäre Infloreszenz, später aus den Achseln der Tragblätter sekundäre Infloreszenzen. Deutlich erkennbar ist die Blattrosette

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Redaktion:
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Dr. Daniel Dreesmann

Wissenschaftliche Fachberater:
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Professor Dr. Wilfried Wichard, Institut für Biologie und ihre Didaktik, Universität zu Köln

Essayautoren:
Thomas Birus, Kulmbach (Der globale Mensch und seine Ernährung)
Dr. Daniel Dreesmann, Köln (Grün ist die Hoffnung - durch oder für Gentechpflanzen?)
Inke Drossé, Neubiberg (Tierquälerei in der Landwirtschaft)
Professor Manfred Dzieyk, Karlsruhe (Reproduktionsmedizin - Glück bringende Fortschritte oder unzulässige Eingriffe?)
Professor Dr. Gerhard Eisenbeis, Mainz (Lichtverschmutzung und ihre fatalen Folgen für Tiere)
Dr. Oliver Larbolette, Freiburg (Allergien auf dem Vormarsch)
Dr. Theres Lüthi, Zürich (Die Forschung an embryonalen Stammzellen)
Professor Dr. Wilfried Wichard, Köln (Bernsteinforschung)

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