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Lexikon der Chemie: Kunststoffe

Kunststoffe, Werkstoffe makromolekularer Natur, die entweder synthetisch oder meist durch chem. Behandlung von vorgebildeten natürlichen Makromolekülen hergestellt werden. Die Eigenschaften der K. werden in erster Linie von dem strukturellen Aufbau ihrer Makromoleküle und dem Grad ihrer Vernetzung bestimmt. Man unterscheidet amorphe K., zu denen alle vernetzten und auch ein großer Teil der unvernetzten, mit Seitenketten oder -gruppen versehenen K. gehören, und teilkristalline K. mit kristallinen Bereichen, zu denen unvernetzte, regelmäßig gebaute, synthetische K. rechnen, z. B. Polyethylen, und viele der aus Naturprodukten hergestellten K., z. B. Celluloseether. Die chem. und physikalischen Eigenschaften der K. sind recht unterschiedlich und variationsfähig. Weiteres Polymere, Elastomere, Chemiefaserstoffe, Polysiloxane. In der Tabelle S. 220ff sind die wichtigsten K. zusammengefaßt.

Einteilung. Man kann die K. in anorganische und organische K. einteilen. Anorganische K. sind z. B. Glas und Porzellan. In Anlehnung an den engl. Begriff plastics werden die organischen K. auch als Plaste oder Plastwerkstoffe bezeichnet. Eine Klassifizierung der K. kann nach der Art der Herstellung, nach dem chem. Aufbau und nach dem physikalischen Verhalten vorgenommen werden. Gemäß der Herstellung unterscheidet man:

1) K. aus Naturstoffen. a) makromolekulare Naturstoffe, z. B. alle K. aus Cellulose; b) niedermolekulare Naturstoffe, z. B. Faktis.

2) Synthetische K. a) Polykondensate, z. B. Phenolharze und Aminoplaste; b) Polymerisate, z. B. Polyethylen, Polyvinylchlorid; c) Polyaddukte, z. B. Polyurethane; d) modifizierte synthetische K.

In der Anwendungstechnik unterteilt man nach physikalischen Gesichtspunkten in: 1) Fluidoplaste, das sind bei 20 °C flüssige Polymere, z. B. Siliconöl; 2) Plaste, a) Thermoplaste sind nicht härtbare, bei höheren Temperaturen fließbare K., z. B. Polyethylen, Polyvinylchlorid, Polyacrylate, Fluorcarbone, b) Duroplaste sind härtbare K., z. B. Phenolharze, Harnstoffharze; 3) Elastomere (Elaste) sind gummielastische K., z. B. synthetischer Kautschuk, Thioplaste; 4) außerdem werden noch des öfteren die Chemiefaserstoffe, Lackrohstoffe und Klebstoffe als besondere Kunststoffgruppen eingegliedert.

Herstellung und Verarbeitung. Ausgangsprodukte für die K. sind einerseits makromolekulare Naturprodukte, wie Cellulose, pflanzliche und tierische Proteine und Naturkautschuk, die durch chem. und physikalische Prozesse in verwertbare K. übergeführt werden (Abb. 1). Andererseits werden K. synthetisch nach den Verfahren der Polykondensation, Polymerisation und Polyaddition von entsprechenden Monomeren erzeugt (Abb. 2). Je nach Art der Herstellung erhält man die hochpolymeren Stoffe als Lösung, Emulsion, Flüssigkeit, Pulver, Granulat oder Blöcke.



Kunststoffe. Abb. 1: Abgewandelte Naturstoffe.

Die Umwandlung der polymeren Rohprodukte in technisch verwendbare K. ist vielfach erst nach Zusatz von Hilfsstoffen möglich, z. B.: 1) Weichmacher zum Beseitigen störender Härte und Sprödigkeit; 2) Füllstoffe, wie Holzmehl, Kreide, Kaolin, Talkum, Schiefermehl, Asbest, Ruß, Cellulose, Papierfasern, Schwerspat, Kieselgur, Gesteinsmehl, Gewebe- und Glasfasern, die den K. als Streckmittel beigemischt werden und ihnen besondere Eigenschaften wie hohe mechanische Festigkeit gegen Abrieb verleihen; 3) Stabilisatoren und Alterungsschutzmittel zum Verhindern von Abbaureaktionen, die durch Wärme, Licht, Sauerstoff, Wasser und UV-Strahlung bewirkt werden können und die die Eigenschaften der K. verschlechtern; 4) Gleit- und Trennmittel zum Verbessern des Be- und Verarbeitungsvermögens des Hochpolymeren zum Werkstoff; 5) Farbstoffe; 6) Trockenstoffe, die in Lacken und Anstrichmitteln eingesetzt werden und die zum Beschleunigen des Abtrocknungsvorganges von K. dienen; 7) Antistatika zum Herabsetzen der störenden elektrischen Aufladung von K.; 8) Antiflammittel, z. B. Antimonpentoxid, zur Herabsetzung der Brennbarkeit von K.; 9) mikrobentötende Zusätze (biozide Zusätze), z. B. organische Zinnverbindungen.



Kunststoffe. Abb. 2: Synthetische Kunststoffe.

Die Verarbeitung der hochpolymeren Rohstoffe zum Fertigerzeugnis oder zu halbfertigen Zwischenprodukten erfolgt fast stets unter Verwendung von Wärme und Druck, in Lösung oder als Dispersion. Das Mischen der hochpolymeren Rohstoffe mit den benötigten Hilfsstoffen geschieht in Walzwerken, Mischtrommeln und Knetern oder bei leicht fließbaren Produkten in Rührgefäßen und Kugelmühlen. Durch Pressen werden Kunststoffmischungen in Formen gedrückt, oder es werden Rohfolien oder imprägnierte Bahnen zu Platten und Blöcken verpreßt. Beim Extrudieren wird vorgeheiztes plastifiziertes Rohmaterial mittels einer Schnecke durch eine verschieden profilierte Düse gepreßt. An den Vorgang des Extrudierens kann sich ein Aufblasen zu Hohlkörpern (Flaschen, Ballons u. a.) anschließen. Als Kalandrieren bezeichnet man das Auswalzen des Rohmaterials auf mehrteiligen Walzwerken (Kalander) zu Folien und Bändern. Beim Ziehen, Blasen oder der Vakuumverformung werden Kunststoffplatten oder -folien in der Wärme durch mechanische Einwirkung, Druckluft oder Vakuumerzeugung zu unebenen Körpern, wie Schalen, Dosen, verformt. Beim Verspinnen wird das gelöste oder geschmolzene Rohmaterial durch Düsen mit feinen Öffnungen in ein Fällbad (Naßspinnverfahren) oder in heiße Luft, gegebenenfalls auch in ein inertes Gas (Trockenspinnverfahren) zu endlosen Fäden versponnen. Auch Borsten und Bänder können so hergestellt werden. Beim Gießen wird der gelöste, geschmolzene oder dispergierte Rohstoff in Formen, auf feste Unterlagen oder in Fällbäder zu Tafeln, Blöcken oder Filmen gegossen. Als Streichen und Kaschieren bezeichnet man das Belegen von Papierbahnen, Textilgut u. a. mit einer Kunststoffschicht. Beim Tränken und Imprägnieren werden saugfähige Materialien oder auch feste Körper mit einer das Hochpolymere enthaltenden Lösung getränkt und oberflächig überzogen. Werden Tauchkörper in eine Schmelze, Dispersion oder Lösung von K. eingetaucht, und wird anschließend der erstarrte Oberflächenfilm als selbständiger Körper abgezogen, so spricht man von Tauchen oder Tauchschmelzen. Beim Sprühen oder Spritzen wird die Lösung oder Schmelze von K. mit einer Spritzpistole auf Gegenstände aufgetragen, wobei sich ein schützender Überzug (Lack) ausbildet. Die Methode, mit Hilfe von Emulgatoren, gasentwickelnden Stoffen (Treibmittel) oder durch Untermischen eines Salzes, das nachträglich herausgelöst wird, poröse Produkte ("Schaumstoffe") herzustellen, wird als Schäumen bezeichnet.









Verwendung. Aufgrund ihrer günstigen Eigenschaften (geringe Dichte, leichte Form- und Farbgebung, Chemikalienbeständigkeit, Schall- und Wärmedämmungsvermögen), ihrer relativ niedrigen Herstellungskosten und der Möglichkeit einer Massenproduktion haben Kunststofferzeugnisse nicht nur als Ersatz für Werkstoffe wie Stahl, Edel- und Leichtmetall, Wolle, sondern auch als vollwertige Werkstoffe Eingang in die verschiedensten Industriezweige gefunden, z. B. Maschinenbau, Kraftfahrzeug- und Apparatebau, Elektronik und Elektrotechnik, Luft- und Raumfahrttechnik, Kerntechnik sowie in Haushaltstechnik, Medizin und Landwirtschaft.

Ausblick. Schwerpunkte der gegenwärtigen Entwicklung sind verbesserte Herstellungsverfahren, Senkung der Toxizität, durch verringerten Monomerengehalt verstärkter Einsatz für den Umweltschutz (Schalldämmung und Flockungshilfsmittel bei der Abwasserreinigung), die Herstellung von hochtemperaturbeständigen K., z. B. Polyimide, Polybenzimidazole, Pyrrone, Poly-p-xylylene, bestimmte Leiterpolymere, sowie von K., die nur aus anorganischen oder aus elementarorganischen Verbindungen aufgebaut sind, und K. mit hoher elektrischer Leitfähigkeit. Von großem technischem Interesse sind K. mit Halbleitereigenschaften für polymere Wandler und Detektoren (polymere Elektrete) sowie Mischungen von K. zum Erreichen ganz bestimmter Eigenschaften.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
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Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
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Fachkoordination:
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Redaktion:
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