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Lexikon der Chemie: Pyridin

Pyridin, eine farblose, hygroskopische, charakteristisch unangenehm riechende, brennbare Flüssigkeit; F. -42 °C, Kp. 115,5 °C, nD20 1,5095. Es ist mit



Wasser und organischen Lösungsmitteln in jedem Verhältnis mischbar. P. ist aromatisch und reagiert basisch. Im Gegensatz zum Benzol sind jedoch die π-Elektronendichten an den einzelnen Positionen des Ringes unterschiedlich: Am Stickstoffatom ist die Elektronendichte am größten und in den Positionen 2, 6 und 4 am kleinsten. Dies wird durch die im Vergleich zum Kohlenstoff höhere Elektronegativität des Stickstoffs verursacht. Elektrophile Substitutionsreaktionen verlaufen sehr schwer und nur unter verschärften Reaktionsbedingungen. Halogenierung, Sulfonierung und Nitrierung erfolgen in 3-Position nur bei hohen Temperaturen. Nucleophile Substitutionsreaktionen laufen leichter ab, besonders in 2-, 4- und 6-Position. So liefert z. B. die Umsetzung mit Natriumamid 2-Aminopyridin und 2,6-Diaminopyridin (Tschitschibabin-Reaktion). Aufgrund dieser Besonderheit wird Pyridin als Stammverbindung der π-Mangel-Heterocyclen betrachtet. Eine vergleichbare Reaktion zeigt sich beim Nitrobenzol, d. h., das Ringstickstoffatom beeinflußt die Reaktivität des P. in ähnlicher Weise wie der -M-Effekt der Nitrogruppe im Benzolring. P. ist ein Elektronenpaardonator und bildet leicht Donor-Akzeptor-Komplexe, z. B. mit Schwefeltrioxid, Zink- oder Kupferchlorid. Für organische Verbindungen zeigt es ein gutes Lösungsvermögen. Mit Säuren und Alkylierungsmitteln bildet es Pyridiniumsalze, Oxidation mit Wasserstoffperoxid ergibt Pyridin-N-oxid.

P. ist im Steinkohlen- und im Knochenteer, in pyrogenen Ölen verschiedener Herkunft, in Ölen bituminöser Schiefer, im Kaffeeöl und im technischen Amylalkohol enthalten. Technisch gewinnt man P. aus Steinkohlenteer durch Auswaschen mit verd. Schwefelsäure, anschließende Abscheidung mit Alkalien und Rektifikation. Es läßt sich auch aus einem Formaldehyd/Acetaldehyd-Gemisch und Ammoniak synthetisieren. Vom P. und seinen hydrierten Derivaten leiten sich zahlreiche Naturstoffe ab, z. B. Coniin, Piperin, Nicotin, Tropin und Cocain.

Man verwendet P. als Lösungsmittel, z. B. für wasserfreie anorganische Salze, viele organische Verbindungen und bei der Bestimmung der löslichen Bestandteile der Steinkohle, in der Technik zur Trennung nitrierter Naphthaline und zur Reinigung des Anthracens, als Kondensationsmittel bei der Herstellung von Phenolharzen, als halogenwasserstoffbindendes Mittel bei Acylierungsreaktionen sowie in großem Umfang als Ausgangsmaterial zur Synthese von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf der Basis von 2,2'-Bipyridin.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
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Dr. Andreas Fath, Heidelberg
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Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
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Dr. Günter Kraus, Halle
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Dr. Martina Venschott, Hannover
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Fachkoordination:
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Redaktion:
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