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Lexikon der Neurowissenschaft: Alkaloide

Alkaloide [Mehrzahl; von arabisch alqualiy = salzhaltige Asche, griech. oeides = ähnlich], E alkaloids, in der Natur vorkommende, in der Regel heterocyclische organische Verbindungen mit einem oder mehreren Stickstoffatomen (Beispiele siehe Tab. ). Die basische Natur und die Eigenschaft, sich wie Alkalien mit Säuren zu Salzen zu verbinden, haben den Alkaloiden ihren Namen gegeben. – Vorkommen: Die weitaus größte Zahl der Alkaloide stammt aus zweikeimblättrigen Pflanzen, unter denen wiederum bestimmte Familien gehäuft Alkaloide enthalten, z.B. die Mohngewächse und die Nachtschattengewächse. Aber auch in Mikroorganismen und in Tieren wurden Alkaloide gefunden (z.B. in Salamandern, Kröten, Fischen, marinen Würmern, Gliederfüßern). Das Auftreten bei Tieren ist jedoch selten, da Alkaloide meist als Nervengifte (Neurotoxine) wirken. Sie sind deshalb auch meist in den Hautdrüsen lokalisiert. Oft treten strukturverwandte Alkaloide in systematisch nahestehenden Pflanzen auf (Hauptalkaloide und Nebenalkaloide), z.B. Atropin und Scopolamin in Nachtschattengewächsen. Nicotin dagegen ist als weitverbreitetes Alkaloid auch innerhalb weiter entfernter Pflanzenfamilien anzutreffen. - Einteilung: Alkaloide können, je nach zugrundeliegendem C-N-Gerüst, verschiedenen chemischen Gruppen zugeordnet werden. Viele Alkaloidgruppen werden nach der Pflanzenfamilie oder Tiergruppe bezeichnet, in der sie vorkommen ( siehe Tab. ). Die meisten Alkaloide tragen Trivialnamen (Zusammenfassung wichtiger Alkaloidgruppen mit Beispielen siehe Abb. ). – Biosynthese: Alkaloide sind Endprodukte des Sekundärstoffwechsels und werden, wie ihre große Zahl und strukturelle Verschiedenheit vermuten läßt, über eine Vielzahl von Biosynthesewegen gebildet. Ausgangssubstanzen sind oft bekannte Stoffwechselprodukte, z.B. Tyrosin, Tryptophan, Phenylalanin, Lysin, Ornithin, Anthranilsäure, Isoprenoide, Isopentenylpyrophosphat. Ein Beispiel für Konvergenz auch bei Biosynthesen stellt das Coffein dar, das sowohl beim Teestrauch als auch beim Kaffeestrauch auftritt, jedoch jeweils über verschiedene Wege gebildet wird. – Funktion: Die Funktion der Alkaloide ist weitgehend unbekannt, vor allem, weil Alkaloide nicht lebensnotwendig sind. Normalerweise alkaloidhaltige Pflanzen können auch alkaloidfrei gezüchtet werden, ohne irgendwelche Eigenschaften einzubüßen. Vereinzelt scheinen Alkaloide als Schutz gegen Pflanzenfresser oder (manche Pyridinalkaloide) als Vorstufen für Nicotinsäure, die in Form von NAD Cosubstrat vieler enzymatischer Reaktionen ist, zu dienen. Da Stickstoff ein wichtiger und oft begrenzender Faktor des Pflanzenstoffwechsels ist und in der Regel durch Überführung in Substanzen des Stickstoffpools wiederverwertet wird, ist eine Funktion der Alkaloide als Abfallstoffe aus ökonomischen Gründen unwahrscheinlich. – Bedeutung: Alkaloidhaltige Pflanzenextrakte zählen zu den ältesten Drogen der Menschheit (z.B. Opium). Sie wirken spezifisch auf bestimmte Zentren des Nervensystems. Die meisten Alkaloide sind starke Giftstoffe, z.B. Strychnin, Coniin, Nicotin, von denen jedoch viele in entsprechender Dosis als Heilmittel dienen können. Von besonderer Bedeutung als Arzneistoffe sind oder waren Atropin, Morphin und seine Derivate (als Analgetika), Papaverin (als Spasmolytikum), Curare-Alkaloide (als Muskelrelaxanzien), Rauwolfiaalkaloide (als Neuroleptika), Chinin und Cocain (als Lokalanästhetikum). Andere wiederum werden als Anregungsmittel in Kaffee (Coffein), Tee (Coffein und Theophyllin) und Kakao (Coffein und Theobromin) oder als Betäubungsmittel (Betäubung) und Rauschgifte (Halluzinogene) verwendet. Hierher gehören z.B. Derivate der Lysergsäure und das Psilocybin. Neben der Toxizität mancher Alkaloide ist auch die euphorisierende Wirkung beim Menschen eine Gefahr, da sie, z.B. besonders bei Morphin und Cocain, zu Gewöhnung und Sucht führt. – Pflanzen schützen sich durch zuckerähnliche Alkaloide vor Insektenfraß. Die Alkaloide blockieren nämlich die im Mundbereich der Insekten gelegenen Zuckerrezeptoren und unterbinden so die Zuckerwahrnehmung, was die Insekten veranlaßt, bei ihrer Nahrungssuche andere Pflanzen aufzusuchen.

E.R./H.H.

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