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Lexikon der Neurowissenschaft: Allergie

Allergie w [von griech. allos = anders, ergon = Werk], Überempfindlichkeit, allergische Reaktion, E allergy, Zustand abnormer Reaktivität gegen ein Fremdantigen; i.e.S. gebräuchlich für die von IgE-Antikörpern (Immunglobuline) vermittelte Überempfindlichkeit vom Soforttyp (Typ-4; Überempfindlichkeitsreaktionen, Atopie). Funktionell entspricht der Ablauf einer allergischen Reaktion einer Entzündungs-Reaktion, die das Immunsystem im Normalfall gegen eingedrungene Erreger einleitet. Bei einer Allergie ist das auslösende Agens jedoch ein unschädliches Antigen bzw. Allergen. Der Erstkontakt mit dem Allergen führt normalerweise zu keiner Symptomatik, löst jedoch die Sensibilisierung des betroffenen Individuums aus, während der besonders viele Mastzellen angelegt werden ( siehe Abb. ). Die allergische Reaktion beginnt damit, daß neu eindringende Allergene durch entsprechende IgE/Rezeptorkomplexe auf der Zelloberfläche der Mastzellen gebunden werden. Dadurch werden die IgE/Rezeptorkomplexe vernetzt und die Mastzellen aktiviert. Die Mastzellen schütten die in den Granula gespeicherten Mediatorstoffe (Histamin, Heparin, Bradykinin und der Neurotransmitter Serotonin) via Exocytose aus. Die Mediatoren bewirken eine lokale Erweiterung der kapillaren Blutgefäße und eine Erhöhung der Permeabilität der Kapillaren. Die allergische Reaktion kann durch psychische Faktoren verstärkt werden. Eine überschießende generalisierte, allergische Reaktion kann einen allergischen Schock, einen Bronchospasmus oder einen Kreislaufkollaps auslösen. Zur Therapie werden neben der Desensibilisierung gegen die auslösenden Allergene vor allem Antihistaminika verwendet. Diese blockieren spezifisch die Histaminrezeptoren auf Muskel- und Endothelzellen und verhindern so die Symptome der Sofortreaktion. Corticosteroide werden bei der Behandlung der späten inflammatorischen Reaktion erfolgreich verabreicht. β-adrenerge Wirkstoffe, die auf die Adenylatcyclase einwirken, werden zur Behandlung eines anaphylaktischen Schocks eingesetzt. Neuroimmunologie.



Allergie

Beim Erstkontakt werden eindiffundierte Allergene von dendritischen Zellen aufgenommen, in Peptide gespalten und diese durch MHC II-Moleküle auf der Zelloberfläche präsentiert. Wird ein solcher MHC II-Peptid-Komplex von einer allergenspezifischen TH0-Zelle erkannt, wobei das Peptid mit dem T-Zell-Rezeptor (TCR) und das MHC II-Molekül mit dem T-Helfer-Markerprotein CD4 interagiert, so wird die TH0-Zelle aktiviert. Unter dem Einfluß von Interleukin 4 differenziert sie dann zu einer TH2-Zelle aus. Parallel dazu bindet das Allergen an die B-Zell-Rezeptoren allergenspezifischer, reifer B-Zellen. Die B-Zellen werden dadurch aktiviert, nehmen das Allergen auf und präsentieren nun ebenfalls Allergen-Peptide durch MHC II-Moleküle. Treffen die allergenspezifischen B- und TH2-Zellen aufeinander, so erkennt die TH2-Zelle den MHC II-Peptid-Komplex auf der B-Zelle. Zusätzlich bindet das B-Zell-Oberflächenmolekül CD40 an CD40-Ligand auf der TH2-Zelle. Dies und das von den TH2-Zellen freigesetzte IL4 bewirken bei den B-Zellen einen Klassensprung zu IgE. Sie differenzieren weiter aus und sekretieren große Mengen löslicher IgE-Moleküle ins Blut. Die IgE-Moleküle werden nun überall im Körper von Mastzellen über IgE-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche gebunden. – Beim Zweitkontakt bindet das Allergen an die IgE-/IgE-Rezeptorkomplexe der Mastzellen und vernetzt sie. Innerhalb weniger Sekunden setzen die so aktivierten Mastzellen durch Degranulation primäre Entzündungs-Mediatoren frei. Dadurch wird lokal die Gefäßpermeabilität erhöht, die glatte Muskulatur kontrahiert, und es kommt zu vielfältigen Symptomen. Die allergische Reaktion wird durch die zeitlich verzögerte Freisetzung von Cytokinen, Chemokinen und Leukotrienen durch die Mastzellen aufrechterhalten. Während die Leukotriene längerfristig auf die Gefäße und Muskulatur einwirken, dienen die Cytokine und Chemokine dazu, weitere TH2-Zellen und akzessorische Zellen zum Ort der allergischen Reaktion zu locken.

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