Direkt zum Inhalt

News: Kinder unter schwierigen Bedingungen

Seit Jahren beschäftigen sich Forscher mit Zusammenhängen zwischen Merkmalen der Familie und der Entstehung von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Kinder, die äußerlich unter gleichen, risikohaften Lebensbedingungen aufwachsen, zeigen trotzdem unterschiedliche geistige und soziale Entwicklungen.
Ein risikohaftes Milieu bezeichnet Belastungen wie elterliche Trennung oder Scheidung, familiäre Aggressionen und Konflikte, Vernachlässigung und Ablehnung des Kindes, Alkoholmißbrauch der Eltern, Arbeitslosigkeit, Klinik- und Heimaufenthalte usw. Bei einigen Kindern vorhandene Schutzfaktoren und Mechanismen bewirken, daß Störungen, Fehlanpassungen oder Krankheiten nicht auftreten. Dieses Ausbleiben von psychischen und sozialen Fehlentwicklungen bezeichnen die Psychologen als "Resilienz".

Die Schutzfaktoren und Prozesse der Resilienz sind die folgenden:

  1. Die emotional sichere Bindung an eine Bezugsperson.
  2. Merkmale des Erziehungsklimas.
  3. Die soziale Unterstützung in und außerhalb der Familie.
  4. Temperamentsmerkmale.
  5. Kognitive und soziale Kompetenzen.
  6. Selbstbezogene Kognitionen und Emotionen.
  7. Das Erleben von Sinn und Struktur im Leben.

Die emotional stabile Bindung an eine Bezugsperson ist das wichtigste und am häufigsten auftretende Merkmal bei resilienten Kindern und Jugendlichen. Diese Bezugsperson kann innerhalb aber auch außerhalb der Familie liegen, wichtig ist die emotional warme Beziehung zu diesem Menschen.

In engem Zusammenhang mit der Bindung an Bezugspersonen stehen die Merkmale des Erziehungsklimas. In Familien von resilienten Kindern wurde öfter etwas Gemeinsames unternommen und das Familienklima war herzlicher, es bestanden aber auch feste Regeln für das Verhalten. Das Vorhandensein sozialer Unterstützung in Form von Familienmitgliedern, Verwandten, Lehrern, Erziehern usw., trägt ebenfalls zur Resilienz bei. Die unterstützenden Personen helfen Probleme zu reduzieren und stellen zugleich Vorbilder für aktives und konstruktives Bewältigungsverhalten dar.

Resiliente Kinder und Jugendliche weisen häufig ein Temperament auf, das den Umgang mit der jeweiligen Versorgungsperson erleichtert. Sie zeigen eine vorwiegend positive Stimmungslage, geringe Irritierbarkeit und ein gutes Anpassungsvermögen. Kognitive und soziale Kompetenzen, d.h. mehr emotionale Ausdrucksfähigkeit und bessere soziale Problemlösefähigkeit sind desweiteren der resilienten Untersuchungsgruppe zuzuordnen. Sie besitzen außerdem ein positiveres Selbstwertgefühl, ein größeres Selbstvertrauen sowie die Überzeugung, daß sie nicht hilflos sind. Erwachsene, die ihre Kindheit unter schwierigen Bedingungen erlebt haben und sich trotzdem unauffällig entwickelt haben, sehen ihr Leben als sinnvoll und strukturiert an.

Zwei exemplarische Untersuchungen verdeutlichen die Wirkungen dieser Schutzfaktoren und Prozesse der Resilienz:

Die Bielefeld-Erlangen-Studie

Diese Studie zeigt, daß die resilienten Jugendlichen flexibler, aufgabenbezogener und tendenziell intelligenter waren. Sie hatten ein positiveres Selbstkonzept, erlebten sich als weniger hilflos, als selbstwirksamer und leistungsmotivierter. Das Erziehungsklima im Heim war für sie emotional positiver und auch in der Schule waren die Resilienten erfolgreicher. Es wurde die Entwicklung von Jugendlichen aus einem besonders risikohafen Multiproblem-Milieu untersucht. Die Forscher kontaktierten 60 Heime und Jugenddörfer im nordwestdeutschen Raum und bildeten zwei Gruppen von 66 Resilienten und 80 Auffälligen.

Die Kauai-Studie

Sie ist die bislang längste und bekannteste Studie zur Resilienz und wurde auf der Hawaii-Insel Kauai von Werner und Smith durchgeführt. Die Forscher untersuchten die Geburtskohorte des Jahres 1955 mit ursprünglich 698 Kinder prospektiv bis ins Erwachsenenalter. Der Großteil der Kinder wuchs in Armut auf und war verschiedensten Risikofaktoren ausgesetzt. Zwei Drittel dieser Kinder zeigten später Verhaltensauffälligkeiten, ein Drittel entwickelte sich jedoch zu selbstbewußten, verantwortungsvollen Jugendlichen. Diese Resilienten-Gruppe zeigte deutlich die bereits beschriebenen Schutzfaktoren.

Professor Dr. Friedrich Lösel von der Universität Erlangen-Nürnberg weist darauf hin, daß die Forschungsergebnisse zur Resilienz bestätigen, daß manche Kinder und Jugendliche eine beträchtliche Fähigkeit besitzen, sich auch unter widrigen Lebensumständen psychisch gesund zu entwickeln. Die ausschlaggebende Gemeinsamkeit dieser Kinder ist die emotionale Bindung und Orientierung an eine Bezugsperson.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.