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News: Neues Teilchen für das Alzheimer-Puzzle gefunden

Amerikanische Wissenschaftler entdeckten eine neue Genmutation, die eng mit dem Risiko verknüpft ist, im hohen Alter die späte Form der Alzheimerschen Krankheit zu entwickeln - die häufigste Variante dieser neurologischen Erkrankung. Das von diesem Gen codierte Protein Alpha-2 Macroglobulin (A2M) wechselwirkt mit Proteinen, die von anderen mit Alzheimer zusammenhängenden Genen codiert werden.
"Diese Erkenntnisse führen direkt zu einem Protein-Pfad, der unserer Ansicht nach den Krankheitsprozeß bei Alzheimer antreibt", sagt Rudolph Tanzi, Direktor der Massachusetts General Hospital (MGH) Gentics and Aging Unit. "Er könnte ein wirkungsvolles neues Ziel für die Entwicklung von Medikamenten zur Vermeidung oder Behandlung dieser Krankheit sein." Tanzi und seine Kollegen betonen, daß die neue Mutation nicht dazu geeignet ist, Alzheimer zu diagnostizieren oder vorherzusagen. Die Daten werden in einem Artikel in der Augustausgabe von Nature Gentics und auf der Sixth International Conference on Alzheimer's Disease and Related Disorder am 22. Juli in Amsterdam vorgestellt.

Wissenschaftlern sind das A2M-Protein und sein Gen auf Chromosom 12 schon lange bekannt. A2M ist ein Protease-Hemmer. Es steuert die Aktivität von Enzymen, die andere Proteine spalten, und arbeitet mit einem Rezeptor an Nervenzellen zusammen, dem LRP (low-density lipoprotein receptor-related protein). Zwei wichtige Hinweise veranlaßten Tanzi und seine Kollegen, zu untersuchen, ob Mutationen in A2M mit dem Alzheimer-Risiko zusammenhängen. Zum ersten arbeiten zwei Proteine, die an Alzheimer beteiligt sind – das Amyloid-Vorläufer-Protein und apoE –, ebenfalls mit LRP zusammen. Zum zweiten haben Studien an Zellkulturen gezeigt, daß A2M das Proteinfragment A-beta fest bindet. A-beta ist die Hauptkomponente der Amyloid-Plaques, die in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten gefunden werden. Nach diesen Untersuchungen erleichtert A2M die Spaltung und Eliminierung von A-beta aus Gehirnzellen – einen der Prozesse, von denen man annimmt, daß sie bei einer Fehlsteuerung die Alzheimer-Krankheit hervorrufen.

Unter der Leitung des MGH suchte das Team nach Zusammenhängen zwischen Mutationen in A2M und Alzheimer, wozu es das National Institute of Mental Health (NIMH) Gentics Initiative AD Sample nutzte, eine Sammlung von DNA-Proben und klinischen Informationen aus Hunderten von Familien, in denen mehr als eine Person an Alzheimer leidet. Teammitglieder des HSPH entwickelten für diese Untersuchung ein Assoziationswerkzeug auf Familienbasis – eine Methode, die Krankheitsgene auf der Grundlage von Unterschieden identifiziert, die innerhalb von Familien beobachtet werden. Sie fanden so heraus, daß A2M-2 – eine bestimmte Genmutation, in der ein Teil des Gens fehlt – eng mit Alzheimer verknüpft ist.

"Alzheimer erweist sich als eine genetisch sehr komplexe Krankheit, bei der viele Faktoren zusammenwirken, die bestimmen, wer von ihr betroffen sein wird. Zusätzlich zu dem, was er uns über den Krankheitsprozeß sagen kann, wird uns dieser Fund – wenn er reproduziert wird – helfen, in zukünftigen Studien die Rolle weiterer genetischer und Umweltfaktoren herauszufinden", sagt Deborah Blacker (MGH).

Tanzi erklärt, daß durch das Hinzufügen dieses neuen Teils zum Alzheimer-Puzzle ein Bild entsteht, wie sich die Krankheit entwickeln könnte. "Es ist eigentlich unstrittig, daß das Schlüsselereignis, das Alzheimer auslöst, die Ablagerung von Amyloid-Plaques im Innern des Gehirns ist, toxische Ablagerungen unlöslicher A-beta Proteinfragmente. Es könnte sein, daß die A2M-, apoE- und LRP-Proteine an einem sehr empfindlichen, ausbalancierten System beteiligt sind, das A-beta spaltet und ungefährlich aus den Gehirnzellen entfernt."

"Wir glauben, daß LRP in den Synapsen sitzt, Knotenpunkten, an denen die Gehirnzellen miteinander kommunizieren, und mit A2M zusammenarbeitet, damit sich A-beta nicht ansammeln kann," fährt er fort. "Hindert ein defektes A2M das System daran, richtig zu funktionieren, oder blockiert eine Variante von apoE den üblichen Spaltungsprozeß, könnten sich A-beta-Plaques bilden und die Synapsen verstopfen. Dies könnte sowohl die Nervensignale verlangsamen als auch die Freisetzung von Wachstumsfaktoren verhindern, welche die Zellen gesund erhalten. Wenn wir einen Weg fänden, die normale Funktion von A2M durch ein Medikament nachzuahmen, hätten wir eine wirkungsvolle therapeutische Waffe an der Hand."

Das Risiko, aufgrund der A2M-2-Mutation Alzheimer zu entwickeln, scheint der Gefahr ähnlich zu sein, die durch die Genvariante apoE-4 entsteht. Für Personen allerdings, die beide Mutationen tragen, erscheint das Risiko nicht weiter erhöht. Obwohl apoE das Alter zu beeinflussen scheint, in dem die Symptome auftreten, ist dies bei A2M-2 nicht der Fall. Wie bei apoE-4 kann die Anwesenheit bzw. das Fehlen der A2M-2-Mutation nicht zur Diagnose oder Vorhersage von Alzheimer herangezogen werden.

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