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News: Die Temperatur beträgt zwölf Uhr

Die innere Uhr sagt Mensch wie Tier, wann es Zeit zum Aufstehen und Schlafen ist. Sie tickt im Gehirn und wird über das Sonnenlicht mit der Außenwelt synchronisiert. Doch erste Zweifel werden wach, ob wirklich das Licht den Tagesbeginn im Organismus markiert oder nicht vielmehr die damit verbundene Temperaturerhöhung. Zumindest ein Schimmelpilz, der sich seine wissenschaftlichen Sporen in der Erforschung biologischer Rhythmen verdient hat, stellt seine innere Uhr nach den Temperaturverhältnissen, nicht nach dem Hell-Dunkel-Wechsel.
Der Biochemiker Jay Dunlop von der Dartmouth Medical School und seine Mitarbeiter sind der Ansicht, daß die circadianen Rhythmen von Menschen, Tieren und Pflanzen sich in erster Linie nach den Temperaturzyklen richten und nicht nach der Lichtintensität (Science vom 7. August 1998).

Sie stützen sich dabei auf experimentelle Ergebnisse, die sie in Versuchen mit dem Schimmelpilz Neurospora gewonnen haben. Dessen innere Uhr ist eines der bestuntersuchten Modellsysteme für biologische Zeitgeber. Die Forscher richteten ihr Augenmerk vor allem auf das frequency-Protein (FRQ) – eine der zentralen Komponenten des Uhrwerks. Im Verlaufe der Regelschleife schaltet FRQ die Expression seines eigenen Gens ab und verhindert so die weitere Produktion des Proteins selbst. Als meßbare Größe wird bei Neurospora die Freisetzung der Sporen verzeichnet. Seit vielen Jahren schon gehen Erkenntnisse am Pilz den entsprechenden Resultaten bei Säugetieren voraus, merkt Dunlap an. Was auf die Uhr von Neurospora zutrifft, konnte meist an Mäusen bestätigt werden und ist vielleicht auch für Menschen zutreffend.

Im Experiment verursachen sichtbares Licht und hohe Umgebungstemperaturen, die vom Organismus als Abenddämmerung interpretiert werden, eine Verlängerung des circadianen Zyklus. Niedrige Temperaturen und Dunkelheit, scheinbare Anzeichen für ein baldiges Morgengrauen, lassen die Uhr schneller laufen und verkürzen so den Zyklus.

Die Forscher wollten wissen, welche relativen Anteile den beiden Faktoren zukommen. Sie erstellten verschiedene Szenarien, in denen Licht und Temperatur miteinander konkurrieren mußten, indem sie Kulturen aus einer kühlen Umgebung mit viel Licht in eine warme, dunkle Anzuchtskammer transferierten. Die Messung der Konzentrationen von FRQ und seiner Boten-RNA zeigte zu im Gegensatz zu den bisherigen Annahmen, daß die Temperatur effektiver auf die innere Uhr wirkte als Licht. Darüberhinaus kam es beim Stellen der biologischen Zeit nicht auf die absoluten Mengen des Proteins und der RNA an, sondern auf das Verhältnis der vorhandenen Konzentration zu jener, die bei der tatsächlichen Temperatur zu erwarten wäre. Zur warmen Mittagszeit liegt normalerweise mehr FRQ vor als am kühlen Morgen. Nach einem Temperatursprung von kalt zu warm paßt sich die innere Uhr durch eine Nachproduktion von Boten-RNA und nach deren Vorlage Protein an die vermeintlich neue Zeit an.

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