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News: Gesunder Schock

In den Niederlanden wurde erstmalig ein Gerät implantiert, das dem Herzen des Patienten im Notfall 'einen Stoß gibt'. Dadurch wird das sogenannte Vorhofflimmern korrigiert, ein unregelmäßiger Herzschlag, der zum Schlaganfall führen kann. Die bisherige Erfolgsquote des neuen Instrumentes weckt große Erwartungen.
In einem Bericht in Circulation (Ausgabe vom 20. Oktober 1998, Volltext des Originalartikels) äußert Hein Wellens, Chefarzt für Kardiologie im Akademischen Krankenhaus Maastricht, daß das als Atrioverter bezeichnete Gerät eine neue Behandlungsmethode für Patienten bedeuten könnte, deren Herz zum Vorhofflimmern neigt. "Zum ersten Mal wird ein implantierbarer Defibrillator benutzt, um das Vorhofflimmern zu behandeln", sagte Wellens. "Dieser Defibrillator kann unregelmäßige Herzschläge erkennen und dann automatisch einen Schock zum Atrium, einer der oberen Herzkammern, senden, um wieder einen normalen Rhythmus zu erreichen."

Ähnliche implantierbare Geräte – Schrittmacher und Ventrikeldefibrillatoren – werden schon seit Jahrzehnten eingesetzt, um andere Formen eines anomalen Herzrhythmus zu korrigieren. Ein Herzschrittmacher reguliert den Pumpvorgang, wenn der Herzschlag konstant zu langsam ist, indem er beiden Herzkammern den richtigen Rhythmus vorgibt und so eine normale Herzfunktion simuliert. Ein implantierbarer Ventrikeldefibrillator hingegen korrigiert das gelegentlich auftretende und lebensbedrohliche sprunghafte Schlagen der Hauptkammer (Ventrikel) durch einen schnellen Schrittmachervorgang oder durch einen schockartigen Impuls.

Vorhofflimmern kann die Ursache für einen zu schnellen Herzschlag sein, sowie für Ohnmachten und Schmerzen in der Brust. Letztendlich kann der überhöhte und unregelmäßige Herzschlag den Blutfluß absenken, wodurch sich in den Blutgefäßen Gerinnsel bilden. Blockieren diese Gerinnsel ein das Gehirn versorgendes Blutgefäß, ist das Ergebnis unter Umständen ein Schlaganfall. Der American Heart Association zufolge, leiden annähernd 15 Prozent der Schlaganfallpatienten an Vorhofflimmern.

In einem begleitenden Leitartikel sagt Mark E. Josephson, Leiter des Harvard-Thorndike Electrophysiology Institute and Arrhythmia Service im Beth Israel Deaconess Medical Center, daß die finanzielle Belastung durch das Vorhofflimmern enorm ist, die Kosten für die Behandlung der sich aus dem Vorhofflimmern ergebenen Folgeschäden (zum Beispiel des Schlaganfalls) jedoch die Ausgabe des Gerätes (es kostet umgerechnet ca. 27 000 DM) rechtfertigen. "Nur ungefähr 50 Prozent der Patienten reagieren auf Mittel gegen einen unrhythmischen Herzschlag, doch es gibt Probleme: Manchmal funktionieren die Medikamente nicht, oder sie haben potentielle tödliche Nebenwirkungen", sagt Josephson.

Die Studie umfaßte auch den Einsatz der Defibrillatoren – sie werden unter die Haut implantiert – bei Patienten mit wiederkehrendem Vorhofflimmern. Arzneien zur Verhinderung des irregulären Herzschlages hatten zuvor nicht effektiv angeschlagen.

Im Verlauf einer acht Monate dauernden Anschlußstudie wurden bei 41 Patienten 227 spontane Vorfälle von Vorhofflimmern registriert, pro Person ergibt das einen Durchschnittswert von 5,6 Vorfällen. Der normale Rhythmus wurde durch den Atrioverter bei 96 Prozent von ihnen wieder hergestellt. Ein frühes erneutes Auftreten (innerhalb einer Behandlungsminute) wurden bei 27 Prozent aller behandelten Patienten beobachtet, die am Vorhofflimmern litten. Diese wurden entweder mit wiederholten Stromstößen oder Arzneien behandelt, oder aber der Rhythmus korrigierte sich von allein. Den Forschern zufolge, konnte das Gerät den normalen Herzrhythmus in 86 Prozent der Zeit wieder herstellen.

"Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir gezeigt, daß die Behandlung sicher und effektiv ist", sagt Wellens. "Doch trotzdem stehen wir erst am Anfang dieser neuen Methode. Bevor das Gerät auf breiter Ebene eingesetzt werden kann, benötigen wir weitere Informationen". Als nächstes werden die Wissenschaftler feststellen, ob das Gerät sicher bei jenen Patienten mit Vorhofflimmern funktioniert, die auch an anderen Herzproblemen leiden. Jüngere Menschen mit Vorhofflimmern kommen für eine Behandlung mit dem Gerät besonders in Frage, da ihr Zustand nur mit Arzneien tendenziell schwieriger in den Griff zu bekommen ist, bemerkt Wellens.

Ein negativer Aspekt des Gerätes besteht darin, daß der zur Korrektur eines Vorfalls korrigierend angewandte Schock Schmerzen verursachen kann, die einem heftigen Pochen im Brustkorb sehr ähneln. Ferner ist es durchaus nicht ungewöhnlich, daß Patienten in einem kurzen Zeitraum Mehrfachschocks erhalten. Die Anzahl der Schocks ist sehr wichtig, so Wellens, denn je mehr Schocks es sind, um so unangenehmer ist es für den Patienten.

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