Direkt zum Inhalt

News: Der Knall wird immer schneller

Das Universum entstand in einer gewaltigen Explosion - dem Urknall - und dehnt sich seitdem aus. Bis vor kurzem war umstritten, ob diese Expansion ewig andauert oder ob sie irgendwann aufhört und das Weltall sich vielleicht sogar unter der eigenen Schwerkraft wieder zusammenzieht. Mittlerweile gehen Wissenschaftler davon aus, daß unser Universum stetig größer und größer wird. Mehr noch: Neuen Untersuchungen zufolge dehnt es sich immer schneller aus.
Bereits Anfang des Jahres hat die Arbeitsgruppe um Saul Perlmutter vom Lawrence Berkeley National Laboratory vorläufige Hinweise gefunden, daß die Expansion des Universums an Geschwindigkeit zunimmt. Sie schlossen dies aus den Spektren von 42 Typ Ia-Supernoven – Explosionen im Weltraum, bei denen ein sterbender Weißer Zwerg zu viel Gas von einem benachbarten Roten Riesen abzieht. Dieses löst eine thermonukleare Explosion aus, die den Weißen Zwerg auseinanderreißt.

In den letzten Monaten haben die Wissenschaftler ihre Ergebnisse nochmals kritisch überprüft, aber "wir haben keine systematischen Fehler gefunden, mit denen sich erklären ließe, warum es wie ein beschleunigtes Universum aussieht", sagte Perlmutter am 29. Oktober 1998 auf einem Workshop zu Typ Ia-Supernoven an der University of Chicago. Auch Alex Fillipenko von der University of California in Berkeley kam nach seiner Untersuchung von 16 Supernoven zu dem Schluß, daß die Ausdehnungsgeschwindigkeit größer wird.

Supernoven vom Typ Ia sind in etwa alle gleich hell. Diesen Umstand nutzen die Astronomen, um die Expansion des Universums zu messen. Sie nehmen die Helligkeit und die Rotverschiebung des Lichtes auf. Letztere entsteht dadurch, daß der Abstand zwischen den Wellenbergen und -tälern der elektromagnetischen Lichtwelle größer wird, wenn sich das Weltall samt der darin enthaltenen Lichtstrahlen ausdehnt. Größere Abstände bedeuten größere Wellenlänge und somit "roteres" Licht. Der Effekt ist im täglichen Leben nicht wahrnehmbar, wird aber bedeutsam, wenn das Licht große Entfernungen zurücklegen muß. Aus dem Maß der Rotverschiebung läßt sich ersehen, vor wie langer Zeit das jetzt auf der Erde eintreffende Licht von einer Supernova ausgesandt wurde. Die entferntesten Sternexplosionen, welche die Astronomen untersucht haben, fanden zu einer Zeit statt, als das Universum erst halb so alt wie heute war.

Wenn die Expansion des Universums immer schneller voranschreitet, müßte der Ort einer Supernova mit bekannter Rotverschiebung weiter entfernt sein als bislang angenommen. Dadurch würde sie zugleich weniger hell erscheinen. Genau das haben die beiden Wissenschaftlerteams beobachtet. Die von ihnen vermessenen Supernoven sind um 15 Prozent schwächer als sie nach dem Standardmodell ohne beschleunigte Expansion sein müßten. Da die Gravitation stets in Richtung einer verlangsamten Ausdehnung wirkt, werden sich die Theoretiker wohl nun mit der Existenz einer antigravitatorischen Kraft oder anderer exotischer Energiequellen auseinandersetzen müssen.

Doch einige Astronomen stehen den Daten kritisch gegenüber. Sie führen an, daß auch feiner Staub, der mehr blaues als rotes Licht absorbiert, die Werte erklären könnte. Außerdem wäre es möglich, daß in der fernen Vergangenheit die Supernoven gar nicht so hell waren wie in jüngerer Zeit. Perlmutter berichtete jedoch, daß er eine zusätzliche Analyse vorgenommen hat, in welcher die am stärksten rotverschobenen Supernoven unberücksichtigt blieben. Dennoch lieferte das Szenario eines immer schneller expandierenden Universums die beste Erklärung.

Obwohl überall im Weltall Staub vorkommen sollte, hat die Gruppe von Filippenko festgestellt, daß einige entfernte Supernoven weniger rot erschienen als relativ nahe Sternexplosionen. Diese überraschende Beobachtung könnte nach Meinung der Kritiker auf größere Staubpartikel zurückzuführen sein, die alle Wellenlängen des Lichtes gleich gut absorbieren und so ein schwächeres Leuchten der Supernoven vortäuschen.

"Ich bin langsam so weit, den beiden Teams zu glauben", sagt Jeremiah P. Ostriker von der Princeton University. "In noch einem Jahr werden wir mehr wissen, aber sie sind ein gutes Stück vorangekommen im letzten Jahr."

Siehe auch

  • Spektrum Ticker vom 14.1.1998
    "Immer größer und größer"
    (nur für Ticker-Abonnenten zugänglich)
  • Spektrum der Wissenschaft, Dossier 3/98: Planeten, Sterne und Weltraum, Seite 99
    "Das selbstreproduzierende inflationäre Universum"

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.