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News: Nager mit menschlichen Gehirnzellen

Wenn Nervenzellen im Gehirn nicht richtig arbeiten, dann können daraus schwerwiegende Krankheiten entstehen. Leider ist es bis heute nicht möglich, funktionsuntüchtige Bereiche einfach durch neue Zellen zu ersetzen. Der erste Schritt zu einer solchen Therapie ist Wissenschaftlern aber jetzt gelungen: Sie verpflanzten menschliche Stammzellen in die Gehirne von Mäuseembryos, die sich ganz normal mit dem fremden Gewebe entwickelten und mit dessen Hilfe sogar einige angezüchtete Störungen überwanden.
Zwei Berichte in der November-Ausgabe von Nature Biotechnology eröffnen ein neues Modell zur Erforschung der molekularen Wechselwirkungen, welche die Entwicklung, Bewegung und Integration menschlicher neuraler Zellen steuern. Zwei Forschungsgruppen transplantierten genetisch markierte Klone menschlicher fötaler Neuralstammzellen (neural stem cells, NSCs) in die Gehirne von Nagetieren. NSCs sind das Ausgangsmaterial, aus dem alle spezialisierteren Zellen des zentralen Nervensystems hervorgehen.

Evan Y. Snyder von der Harvard Medical School, in Boston und seine Kollegen isolierten aus fötalem Hirngewebe Zellen, die über mehrere Generationen in Petrischalen wachsen konnten. Dabei behielten sie ihre Fähigkeit, zu den verschiedenen Typen von Nervenzellen auszudifferenzieren, wenn sie entweder mit Wachstumsfaktoren behandelt oder genetisch verändert wurden. In Laborkulturen mit anderen Zellen, die ein bestimmtes Enzym nicht mehr produzieren konnten, waren diese Stammzellen in der Lage, den Enzymmangel zu kompensieren. Nach Injektion der menschlichen NSC in die Gehirne von neugeborenen Mäusen wuchsen, wanderten und differenzierten die Zellen in den verschiedenen Hirnarealen. Darüberhinaus ließen sie sich gentechnisch verändern, so daß sie fremde Proteine synthetisierten und in Mäusen mit angezüchteten neurodegenerativen Krankheiten die mangelhaften Neuronen ersetzten.

Auch die Arbeitsgruppe um Oliver Brüstle von der Universität Bonn isolierte aus weniger genau charakterisiertem fötalen Gewebe humane NSCs und implantierte sie in die Gehirne von Rattenembryos. Dabei stellten die Wissenschaftler ebenfalls eine weitgehende, regional angemessene und gut verträgliche Inkorporation der Zellen fest. "Wir glauben, daß diese neue Methode als Einleitung für die Entwicklung therapeutischer Strategien gegen neurodegenerative Krankheiten eingesetzt werden kann", sagt Brüstle.

"In gewisser Weise sind diese Technologien ungefähr so, als ob man einen Rasen erneut aussäht", erklärt Snyder. "Sie bringt uns der Anwendung am Menschen einen wesentlichen Schritt näher. Wir sehen nämlich, daß es möglich sein könnte, ganz von vorne anzufangen – sozusagen auf besseren Samen zurückzugreifen – und, wenn wir schon dabei sind, vielleicht einige therapeutische Gene einzubringen."

"Ebenfalls aufregend ist", fährt er fort, "daß diese Chimären ein einzigartiges Modell liefern, anhand dessen man die menschliche neurale Zellmigration und -differenzierung in einem funktionierenden Nervensystem studieren kann, weil die Reaktion der menschlichen NSCs auf Gehirnsignale der Nagetiere eine bemerkenswerte evolutionäre Konservierung über Spezies hinweg aufzeigt."

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