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News: Wer geschlagen wird, wird selbst zum Schläger

Die Gewaltbereitschaft Jugendlicher nimmt immer mehr zu. Häufig äußert sie sich in sinnloser, von außen kaum nachvollziehbarer Zerstörungswut. Nicht selten sind auch Schwächere oder Ausländer die Opfer. Doch warum neigen Jugendliche zu Gewalt und Ausländerfeindlichkeit, und warum fühlen sich immer mehr von ihnen zu den Rechtsradikalen hingezogen?
Dieser Frage ist ein Team um den Soziologen Prof. Klaus Boehnke der Technischen Universität Chemnitz nachgegangen. Die Wissenschaftler befragten 789 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren aus dem Raum Chemnitz nach ihren Ansichten und nach ihrem Elternhaus. Zuvor hatten die Forscher ähnliche Umfragen schon in Berlin und im nordrhein-westfälischen Siegen durchgeführt. Nahezu jeder zweite Chemnitzer Jugendliche gab an, unter Umständen auch Gewalt anzuwenden und Vorbehalte gegen Ausländer zu haben. Dabei spielt das Elternhaus eine große Rolle. Typisch für diese Jugendlichen ist auch, daß sie sich allgemein sehr unsicher fühlen. Diese Unsicherheit wird oft durch rücksichtsloses Verhalten gegenüber anderen verdeckt.

Bei weiteren Fragen stellte sich heraus, daß etwa jeder zwölfte Jugendliche stark ausländerfeindlich eingestellt ist. Solche Jugendliche waren auch besonders häufig in Streitereien oder Kämpfe mit anderen verwickelt oder neigten dazu, fremdes Eigentum zu zerstören. In ihren Einstellungen, besonders zu Ausländern, unterschieden sich die Jugendlichen kaum von ihren Eltern und wurden darin sogar bestärkt. Die Forscher fanden heraus, daß die Eltern besonders streng zu ihren Kindern waren und sie bei Verfehlungen hart bestraften. Andererseits kümmerten sie sich kaum um ihre Sprößlinge und interessierten sich zum Beispiel nicht dafür, was diese in ihrer Freizeit treiben.

Nicht selten wird diese mit ziellosem Herumhängen verbracht und Gewalt "einfach nur so" aus Langeweile ausgeübt. Dies ist besonders häufig der Fall, wenn geeignete jugendgemäße Freizeitangebote fehlen. Eine große Rolle spielt bei den Jugendlichen auch die "richtige" Kleidung: Daran nämlich erkennen sich die unterschiedlich eingestellten Gruppen. Auch die Schule spielt bei den Einstellungen der Jugendlichen eine große Rolle: An Gymnasien findet man wesentlich weniger Ausländerfeinde und Rechtsradikale als an Mittelschulen.

Mit ihrer Studie räumen die Forscher mit einigen liebgewordenen Vorurteilen auf: Rechtsextremismus unter Jugendlichen ist keine typisch ostdeutsche Erscheinung. "Das zeigen unsere Untersuchungen ganz deutlich", so Prof. Boehnke. "Auch hat rechtes Verhalten nicht unmittelbar etwas mit Arbeitslosigkeit zu tun, denn die älteren Jugendlichen haben fast alle eine Arbeit oder eine Lehrstelle. Und auch bei ihren Eltern sieht es nicht viel anders aus."

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