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News: Wie die Schlange ihre Beine verlor

Schlangen sehen anders aus als die meisten ihrer Reptilverwandtschaft. Doch wie es scheint, waren es nur eine Handvoll genetischer Veränderungen, die dazu führten, daß sich ihre Körper streckten und die Gliedmaßen verschwanden. Auf der jährlichen Versammlung der Society for Integrative and Comparative Biology im Januar 1999 berichteten Entwicklungsbiologen, daß man nur ein einziges Gen reaktivieren muß, damit einem Python wieder Hinterbeine wachsen.
Marty Cohn von der University of Reading und Cheryll Tickle von der University of Dundee hatten sich gefragt, welche genetische Basis für die vielen Extrarippen und die fehlenden Beine bei Schlangen verantwortlich ist. Die Forscher, die mit Pythonembryonen arbeiteteten, benutzten fluoreszierende Antikörper, um der Aktivität zweier Genen auf die Spur zu kommen, die zur Familie der HOX-Gene gehören. Diese Gene tragen dazu bei, Abschnitte des sich entwickelnden Rückgrates zu formen. Bei den meisten Tieren sind diese HOX-Gene nur in einem kleinen Bereich des Rückgrates aktiv, in dem dann die Rippen aus der Wirbelsäule herauswachsen. Bei den Pythons indes waren die HOX-Gene von der Spitze der Wirbelsäule bis zu den Skelettüberbleibseln der Hinterbeine aktiv, bemerkt Cohn als Erklärung, warum die Schlangen fast über ihre gesamte Körperlänge hinweg Rippen haben.

Die Forscher fanden ferner die genetische Ursache für den Verlust der Vordergliedmaßen bei Schlangen. Hierzu wurde die Aktivität eines weiteren HOX-Gens in der äußeren Zellschicht des Pythonembryos geändert. Die Expression dieses Gens hilft festzulegen, wie sich das Gewebe der Vordergliedmaßen entwickelt. Gleichzeitig fehlte, wie Cohn aufzeigte, bei einem entstehenden Hinterbein ein Gewebekamm, der bei Jungtieren die Verlängerung der Hinterbeine auslöst. Als der Wissenschaftler den Embryos aber einen Wachstumsfaktor zuführte, der in anderen Organismen von diesem Kamm produziert wurde, wuchsen die Beine innerhalb von lediglich 24 Stunden um 30 Prozent. Diese Ergebnisse legen nahe, daß "alle anderen Signalnetzwerke [für die hinteren Gliedmaßen] an Ort und Stelle sind", bemerkt er.

Seit Jahrhunderten weiß man in der klassischen Anatomie, daß die Wirbelsäule aus diskreten Abschnitten besteht, wobei jeder Abschnitt Wirbel von unterschiedlicher Form und Funktion enthält. "Es ist schön, herauszufinden, daß es eine molekulargenetische Grundlage [dieser Abschnitte] gibt", sagt James Hanken, Wirbeltiermorphologe an der University of Colorado in Boulder. Ähnliche Szenarien können vielleicht erklären, warum andere Tiere wie Wale, Aale oder bestimmte Eidechsen ihre Gliedmaßen verloren haben, fügt er hinzu.

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