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News: Besser mit Bio

Wurzelpilze, sogenannte Mycorrhizapilze, bilden im Boden mit den Wurzeln der Pflanzen eine enge Lebensgemeinschaft. Die Mycorrhizapilze werden durch die Pflanzen, ohne die sie nicht überleben könnten, mit Kohlenhydraten aus der Photosynthese ernährt. Im Gegenzug liefern die Pilze den Pflanzen wichtige Mineralstoffe. Von der Leistung der Wurzelpilze profitieren besonders stark die weniger dominanten, selteneren Pflanzen. In einer Schweizer Studie zu diesem Thema wird darauf hingewiesen, daß Dünger und Pflanzenschutzmittel bekanntermaßen die angestammte Pilzgemeinschaft beeinträchtigen: Deswegen erbringe eine auf Nachhaltigkeit angelegte Landwirtschaft, wie der biologische Landbau, längerfristig die fruchtbarsten Böden mit den besten Erträgen und trage zur Erhaltung der Artenvielfalt der Pflanzen bei.
Etwa 80 Prozent aller Pflanzen leben mit den Mycorrhizapilzen in gegenseitiger Abhängigkeit. Während die Pflanzen diese Pilze mit Kohlehydraten aus der Photosynthese versorgen, liefern die Mycorrhizapilze den Pflanzen wichtige Mineralstoffe und Wasser. Mit ihrer feinfädigen Struktur verhundertfachen diese Wurzelpilze die Aufnahmeoberfläche der Pflanzenwurzeln und verbinden sich auch mit den Pilzen der Nachbarpflanzen. Durch diese Verbindung können Gewächse mit wenig Durchsetzungskraft von den dominierenden Pflanzen Nährstoffe erhalten.

Die enge gegenseitige Abhängigkeit von Pflanzen und Wurzelpilzen konnte erst in den letzten Jahren genauer erforscht werden, insbesondere nachdem es gelungen war, die Pilze auf Wurzelkulturen steril im Labor zu züchten. Von diesen Mycorrhizapilzen, die ohne das Wurzelsystem der Pflanzen nicht überlebensfähig sind, gibt es nur etwa hundert Arten. Eine genaue Systematik dieser Arten ist noch nicht erstellt worden.

In einem Laborexperiment im Rahmen des Schwerpunktprogramms "Umwelt" des Schweizerischen Nationalfonds hat ein Forschungsteam vom Botanischen Institut der Universität Basel das Wachstum elf verschiedener Gräser und Wiesenblumen bei unterschiedlichen Bedingungen untersucht. Einmal wuchsen die Pflanzen ohne Mycorrhizapilze auf, dann mit je einer Auswahl von vier verschiedenen Arten von Mycorrhizapilzen und schließlich in Gemeinschaft mit allen vier Pilzarten. Sämtliche Pilze wie auch die Pflanzen entstammten einer Wiese auf kalkhaltigem Boden im Jura.

Die Experimente ergaben, daß acht von elf Pflanzen von den Wurzelpilzen direkt abhängig waren und ohne sie gar nicht überleben konnten. Im weiteren zeigten gewisse Pflanzen Vorlieben für spezifische Pilzarten, mit denen sie besonders gut gediehen. Einen ähnlich guten Effekt wie mit ihrer bevorzugten Pilzart zeigten die einzelnen Pflanzen, wenn sie in Gegenwart aller vier Pilze zusammen in einer Pflanzengemeinschaft kultiviert wurden. Wechselte die Pilzart, so veränderte sich auch die Artenzusammensetzung in der Pflanzengemeinschaft stark. Betroffen waren insbesondere die schwächeren, auf den Wiesen weniger häufig vorkommenden Pflanzenarten, die den dominanten Grasarten Platz machen mußten.

Die Laborresultate führten zur Hypothese, daß eine reiche Pilzgemeinschaft sich besonders vorteilhaft auf die Artenvielfalt und auf das Pflanzenwachstum auswirken wird. Diese Hypothese konnte in einer Feldstudie bestätigt werden. 70 verschiedene Felder wurden mit verschiedenen Proben, welche eine zunehmende Anzahl an verschiedenen Arten von Mycorrhizapilzen enthielten, geimpft. In jedes Feld säte man die gleiche Menge an Samen von 15 verschiedenen Wiesenpflanzen. Felder ohne Pilze brachten am wenigsten Pflanzenarten hervor. Die Artenvielfalt stieg mit zunehmender Zahl verschiedener Pilzarten. Am größten war sie bei der höchsten Zugabe von 14 verschiedenen Pilzarten. Die Zunahme der Artenvielfalt der grünen Pflanzen verlief also direkt proportional mit der Zunahme der Artenvielfalt der Pilze.

Die Feldstudie zeigte zudem, daß sich mit der Zunahme der Artenvielfalt der Pilze die Ausdehnung des Fadennetzes im Boden vergrößerte. Zudem nahm der Phosphorgehalt im Boden ab, in den Pflanzen hingegen zu. Das zunehmende Wachstum und die engere Vernetzung der Pilzfäden sorgten nicht nur für eine gesteigerte Phosphoraufnahme der Pflanzen, sondern bewirkten, daß sowohl Wurzeln als auch Blätter stärker wuchsen.

Aus ihren Studien leiten die Basler Forscher ab, daß die Artenvielfalt der Pflanzen auf Wiesen und die Produktivität dieser Ökosysteme direkt von der Symbiose mit den Mycorrhizapilzen abhängen. Die moderne Landwirtschaft, welche durch Dünger und Pflanzenschutzmittel die Vielfalt der Mycorrhizapilze reduziert, beeinträchtigt dadurch die Artenvielfalt der Pflanzen und die natürliche Leistungsfähigkeit des Ökosystems. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in Frick hat in Vergleichsstudien zwischen Anbaumethoden des biologischen Landbaus und der Integrierten Produktion nachgewiesen, daß nach 20 Jahren die nach biologischen Anbaumethoden bewirtschafteten Böden Pflanzen mit einem um bis zu 50 Prozent höheren Gehalt an Mycorrhizapilzen in den Wurzeln hervorbringen.

In einem neuen Projekt wollen die Basler Botaniker den Einsatz von Mycorrhizapilzen für Agrarsysteme in Indien untersuchen. Hier stößt die "Grüne Revolution" – der Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden in Verbindung mit Hochleistungssorten – an Grenzen. Gerade für Entwicklungsländer, die der Einsatz dieser Hilfsstoffe teuer zu stehen kommt, könnte die nachhaltige Landwirtschaft, die auf Artenvielfalt und Böden mit reichem Gehalt an Mycorrhizapilzen setzt, eine vielversprechende Alternative bieten.

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