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News: Familientreffen besonderer Art

Neanderthaler sind ein Symbol für die Urgeschichte des Menschen. Die wenigen Skelettreste, die von ihnen erhalten sind, üben häufig eine besondere Faszination auf uns aus. Sie zeugen - reliquiengleich - von der Existenz dieser Menschenform, die als nahe oder entfernte Verwandte vor etwa dreißigtausend Jahren verschwanden. Insgesamt sind aus Deutschland bislang zehn Fundstellen bekannt, an denen Knochenreste von Neanderthalern geborgen wurden. Dabei handelt es sich um die Überreste von mindestens 17 Individuen. Nun werden alle verfügbaren Skelettfragmente in einer Sonderausstellung des Neanderthal Museums vom 19. März bis zum 2. Mai 1999 erstmalig gemeinsam präsentiert, darunter auch sämtliche Neufunde der letzten Jahre. Viele der ausgestellten Skelettreste wurden noch nie öffentlich gezeigt.
Gemessen an den wenigen Funden, erleben wir gegen Ende dieses Jahrhunderts geradezu eine Inflation an Neanderthaler-Neufunden: Die Orte Ochtendung bei Koblenz und Warendorf bei Münster sind auf der Karte deutscher Neanderthalerfundstellen hinzugekommen. Aber auch an den altbekannten Stätten Neandertal und Salzgitter-Lebenstedt sind durch neue Untersuchungen weitere Skelettreste entdeckt worden.

Bereits im Sommer 1997 führten die Archäologen Dr. Ralf W. Schmitz und Dr. Jürgen Thissen im Auftrag des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege am Düsselufer Untersuchungen durch, um den Aushub der kleinen Feldhofer Grotte zu lokalisieren. Gestützt auf altes Kartenmaterial und die Ergebnisse von Sondierungen aus dem Jahre 1984, die von der Universität Köln unter Leitung von Prof. Dr. Gerhard Bosinski durchgeführt worden waren, gelangten sie zum Erfolg: Etwa 50 Meter von der alten Suchstelle entfernt konnten sie Reste lehmiger Höhlenfüllungen mit Besiedlungsspuren des eiszeitlichen Menschen entdecken. Dieser Aushub war von Steinbrucharbeitern 1856 vor der Sprengung der Kalkfelsen aus den Höhlen herausgeschaufelt und am Düsselufer aufgehäuft worden. Sprengschutt überdeckte die Abraumhaufen und hat sie so vor der entgültigen Zerstörung bewahrt.

Es konnten zwei Abraumhaufen entdeckt werden, die teilweise mit einander verzahnt sind. Neben diesen beiden Höhlen wird von sieben weiteren Höhlen im historischen Neandertal berichtet. In beiden Abraumhaufen konnten Steinwerkzeuge und Faunenreste geborgen werden. Außerdem wurden zwischen den tierischen Überresten bisher zwanzig Fragmente von Menschenknochen mit einer Größe von maximal zehn Zentimeter Länge erkannt.

Ein kleines Knochenfragment aus dem Höhlenschutt konnte zweifelsfrei an den linken Oberschenkel des Neanderthalers von 1856 zweifelsfrei angepaßt werden. Es liegen neben diesem Skelett auch Knochenfragmente eines weiteren Menschen vor. Dies steht fest, da einige Bruchstücke von Skeletteilen stammen, die beim alten Neanderthaler komplett erhalten sind. Eines dieser "doppelten" Teile konnte durch C14-Analysen der ETH Zürich auf ein Alter von etwa 40 000 Jahre datiert werden.

Aus beiden Höhlenfüllungen stammen Steinwerkzeuge, die typologisch dem Mittelpaläolithikum zugewiesen werden können und in die Zeit des Neanderthalers gehören. Darüber hinaus liegen Steinwerkzeuge aus jüngeren Zeitabschnitten, dem Jungpaläolithikum, vor.

Die Datierung des alten Neanderthalers von 1856 ist aber weiterhin unklar. Die Wissenschaftler hoffen, daß sich das angepaßte Fragment oder weitere Bruchstücke, die unter Umständen noch angepaßt werden können, für C14-Datierungen beproben lassen, so daß hier eine zweifelsfrei Altersbestimmung möglich wird. Ebenfalls noch nicht geklärt ist die morphologische Zuweisung des zweiten Individuums. Es könnte sich um einen Neanderthaler oder um einen anatomisch modernen Menschen handeln. Das Alter von 40 000 Jahren legt eine Zuordnung zu den Neanderthalern nahe.

Die Fundplätze selber sind unwiederbringlich zerstört. Ein gesicherter Fundkontext ist nicht mehr gegeben. Daten über die Lebensweise und die Besiedlung der Höhlen sind daher nicht zu erwarten.

Die Ergebnisse der neuen Grabungen im Neandertal wurden vom 18. bis zum 21. März 1999 auf dem internationalen Workshop Central and Eastern Europe from 50.000 – 30.000 BP im Neanderthal Museum erstmals der Fachwelt präsentiert. Auf dem Workshop wurden die neuesten Forschungsergebnisse zu Datierungen, Klimaforschung, Umweltnutzung, materieller Kultur und Technologie sowie Skelettmorphologie und Genetik vorgestellt und diskutiert. Neben der ersten wissenschaftlichen Präsentation der Neufunde aus dem Neandertal wurden vor allem Erkenntnisse zu verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen Neandertalern und modernen Menschen von den jüngst gelungenen DNA-Analysen bei Neanderthalern vorgestellt.

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