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News: Belohnung für schlechte Taten

Erhält der Mensch überraschend eine Belohnung, so wird im Hirn der chemische Botenstoff Dopamin freigesetzt. Diese Substanz regt besondere Zentren im Hirn an, die das Verhalten, die Motivation und die Lernfähigkeit steuern. Diese Entdeckung gelang einem Forscherteam der Universität Freiburg. Sie könnte zu einem neuen Verständnis der Suchtproblematik führen, weil auch die Drogen Heroin und Kokain Dopaminzellen aktivieren und auf diese Weise, so die Hypothese der Forschenden, das Belohnungssystem im Hirn mißbrauchen. Ein wichtiges Ziel für die Nutzung der neuen Erkenntnisse in der Drogentherapie wäre es nun, einen Stoff zu finden, der bei den Drogensüchtigen das Dopamin gezielt von den Verhaltenszentren fern hält und damit den verhängnisvollen Belohnungseffekt beim Drogenkonsum ausschaltet.
Dopamin ist ein Botenstoff, der Informationen der Nervenzellen im Hirn überträgt. Im Stammhirn besitzen Menschen beidseitig je etwa eine halbe Million Dopaminzellen, die auf bestimmte Reize hin diesen Stoff in verschiedene Hirnzentren, insbesondere aber in das Striatum und die frontale Hirnrinde unmittelbar über der Augenhöhle, den orbitofrontalen Cortex, leiten. In diesen Regionen kontrolliert und verarbeitet das Hirn die Informationen, die das Verhalten steuern.

Neurophysiologische Untersuchungen an Affen, die immerhin etwa 100 000 Dopaminzellen besitzen, bestätigten die Belohnungsmechanismen. Fanden die getesteten Affen nach der richtigen Lösung einer gestellten Aufgabe als Belohnung hinter einem Schirm plötzlich einen Apfel, so wurde Dopamin in die frontale Hirnrinde ausgeschüttet. Fanden die Affen nur eine Schraube, die sie nicht als Belohnung interpretieren konnten, so reagierten ihre Dopaminzellen nicht. War die Belohnung vorhersehbar, weil der Affe mit der Zeit das richtige vom falschen Bild unterscheiden konnte, gab es ebenfalls keine Ausschüttung von Dopamin. Weitere Tests zeigten, daß die Affen die Belohnung in ihrer Hirnrinde gezielt registrieren. Apfelsaft stimuliert andere Nervenzellen im Striatum und in der Hirnrinde als Traubensaft.

Aufgrund dieser Resultate testeten die Forscher am Physiologischen Institut der Universität Freiburg in der Schweiz mit Hilfe der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) die Hirnaktivitäten von Menschen. Während zehn rechtshändige Studenten geometrische Aufgaben am Bildschirm lösten, wurde bei ihnen die Hirndurchblutung registriert. Die Messungen entsprachen den bereits bei den Tests mit Affen gemachten Beobachtungen. Erhielten die Probanden aufgrund einer richtigen Lösung Geld versprochen, so zeigte in gewissen Zentren die frontale Hirnrinde eine höhere Durchblutung, ein Zeichen, daß diese Zentren aktiver waren und mehr Sauerstoff verbrauchten. Wurde die richtige Lösung hingegen bloß mit einem "O.K." bestätigt, so war die Reaktion viel geringer. Es waren insbesondere zwei Regionen, die bei Belohnung stärker durchblutet wurden, die orbitofrontale Hirnrinde und die vordere Hirnrinde, welche das Verhalten steuert und die für die Bewältigung von Lernaufgaben gebraucht wird.

Die Untersuchungen haben klar gezeigt, daß Belohnung im Hirn gezielt verarbeitet wird, und zwar in Regionen, die besonders unser Verhalten, die Motivation und Lernfähigkeit steuern. In der frontalen Hirnrinde verarbeitet der Mensch auch die Informationen für strategische organisatorische Pläne. Die Bedeutung dieser Hirnregion wird klar ersichtlich bei Menschen mit beschädigter frontaler Hirnrinde: Sie werden apathisch und machen schwerwiegende Charakteränderungen durch. Die Hypothese der Forschenden lautet nun, daß Dopamin, welches aufgrund einer Belohnung ausgeschüttet wird, Informationen an die für die Entwicklung von Handlungsstrategien verantwortlichen Verhaltensregionen im Hirn weitergibt. Der Mensch entwickelt Strategien, um die Belohnung wieder erreichen zu können. Da Heroin und Kokain ebenfalls Dopamin freisetzen, könnten diese Drogen das menschliche Belohnungssystem für die Entwicklung von Verhaltensstrategien zur Drogenbeschaffung mißbrauchen. Oder anders formuliert: Die Sucht beschränkt sich nicht nur auf den Stoff, von den man sich durch einen Entzug physisch befreien kann, sondern die Sucht umfaßt zusätzlich die Verhaltensstrategien, um an die Droge heranzukommen.

In weiteren Untersuchungen testet das Freiburger Forschungsteam nun die Hirnaktivität von Menschen, welche komplexe räumliche Aufgaben zu lösen haben. Es ist bekannt, daß diese bildlich-räumlichen Vergleichsaufgaben die ganze frontale Hirnrinde des Menschen beanspruchen. Erste Resultate haben ergeben, daß einige Regionen der frontalen Hirnrinde stärker durchblutet werden, wenn die Probanden auf eine Belohnung zählen konnten. Die ersten Resultate lassen die Vermutung zu, dass einzelne Regionen immer auf Belohnung reagieren, egal wie groß der Schwierigkeitsgrad der Arbeit ist, während andere Hirnregionen diese Belohnungsinformation einbauen, um ein Verhalten zu generieren.

Eines der Ziele ist es, ein Medikament zu finden, das gezielt jene Regionen im Hirn blockiert, die den Süchtigen dazu bringen, der Droge nachzurennen. Das Wissen um die Wirkmechanismen von Dopamin bei der Belohnung ist für die Herstellung eines solchen Medikaments deshalb von großer Wichtigkeit, weil Dopamin auch andere Hirnfunktionen beeinflußt und auch in Kombination mit anderen Botenstoffen (Neurotransmittern) wirkt. So weiß man, daß bei Schizophrenen das Dopamin-Gleichgewicht arg gestört ist und daß Parkinson-Patienten die Zellen verloren haben, die Dopamin produzieren.

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