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News: Treibstoff sparen im Weltraum - der Ionen-Antrieb

Im Oktober 1998 startete die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA Deep Space 1 - die erste Raumsonde, die einen elektrischen Ionen-Antrieb benutzt. Deep Space 1 ist Teil des New Millenium-Programms der NASA, das auf neueste Technik setzt. Dabei ist die Idee eines Ionen-Antriebs nicht neu. Der deutsche Physiker Oberth hatte sie bereits in den dreißiger Jahren.
Eine Rakete ist ein Flugkörper, der durch Ausstoß von Masse Vortrieb erfährt. Genau in diesem Punkt unterscheidet sie sich von einem Flugzeug, das zum Antrieb Luft aus der Umgebung beschleunigt. Aus diesem Grund lassen sich Flugzeuge nicht im Weltraum verwenden – Raketen schon. Nun gibt es allerdings zahlreiche Möglichkeiten, Masse auszustoßen: In chemischen Raketenantrieben stammt die Antriebsenergie aus chemischen Reaktionen, meist in Form einer Verbrennung von Brennstoff und Sauerstoff. Die dabei entstehenden Druckkräfte ergeben den Schub. Ganz anders arbeiten elektrische Raketentriebwerke, wie zum Beispiel der elektrostatische Ionen-Antrieb. Bei ihm werden geladene Teilchen (Ionen) in einem elektrischen Feld beschleunigt. Im Gegensatz zu chemischen Antrieben benötigt man nun jedoch noch eine zusätzliche Energiequelle, entweder Kern- oder Sonnenenergie. Zuerst angedacht wurde das Prinzip des elektrischen Antriebs bereits 1906 vom amerikanischen Raketenpionier Robert Goddard (1882 – 1945).

Vom Krieg auf Erden zur Planetenreise

Über das reine Prinzip hinaus wagte sich der deutsche Raketenwissenschaftler Dr. Hermann Oberth (1894 – 1989). In seinem 1939 erschienenen Buch "Die Möglichkeiten der Raumfahrt" erwähnt er eine Konstruktion, die in der Lage wäre, mittels elektrischen Antriebs 150 Tonnen Last zu transportieren. Oberth sah jedoch niemals seine Ideen verwirklicht. Denn sie sollten erst gut fünfzig Jahre später Deep Space 1 durch das Weltraum bewegen.

Doch zunächst kam der Zweite Weltkrieg. Die meisten deutschen Raketenwissenschaftler arbeiteten an der Entwicklung der Flüssigkeitsrakete V-2. Als Antrieb verbrannte sie Alkohol mit flüssigem Sauerstoff. Ihr Ziel waren britische Städte – als deutsche Vergeltung alliierter Luftangriffe. Zu den Chef-Entwicklern dieser Waffe zählte Wernher von Braun, ein Schüler Oberths, der bereits früh mit den Ideen seinens Lehrers in Kontakt gekommen war. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ergaben sich Hunderte deutscher Raketenwissenschaftler – darunter auch von Braun und Dr. Ernst Stuhlinger – den Amerikanern. Sie durften aber weiterforschen – jetzt jedoch für die U.S. Army in Fort Bliss, Texas.

In Fort Bliss wurde die V-2 weiterentwickelt. Aber von Braun träumte bereits davon, die Ideen seines Lehrers Oberths zu verwirklichen. Und so sagte er 1947: "Es würde mich nicht wundern, wenn wir eines Tages mit einen elektrischen Antrieb zum Mars flögen." Von Braun und Stuhlinger machten später bei der NASA Karriere und von Braun war es, der Stuhlinger von den Ideen seines Lehrers Oberths erzählte. 1955 veröffentlichte Stuhlinger die Abhandlung "Die Möglichkeiten des elektrischen Raumschiff-Antriebes". Dabei ging Stuhlinger auf die Vorzüge des elektrischen Ionen-Antriebes ein. Denn die chemische Antriebstechnik benötigt viel mehr Treibstoff. Eine Rakete, die auf chemischen Wege den Mars erreicht, besitzt bei der Ankunft nur noch ein 25stel der ursprünglichen Masse. Der Rest ist als Treibstoff ins Weltall verpufft. Elektrische Antriebe kommen dagegen mit viel weniger aus.

Es galt aber noch einige Probleme zu lösen. Zum Beispiel, daß sich ein Raumschiff mit Ionen-Antrieb negativ auflädt, wenn es ständig positive Ionen absondert. Auf Dauer wird es die ausgestoßenen Ionen wieder anziehen, was dem Vortriebseffekt zuwiderläuft. Eine Lösung für dieses Problem wurde gefunden, indem man Elektronen in das ausströmende Ionengas schießt und somit Schiff und Gas neutralisiert. Soweit die Theorie. Ob dieses Prinzip jedoch auch in der Praxis funktioniert, konnten nur Tests zeigen. 1961 ließ die NASA sieben Kapseln bauen, die mit einem elektrischen Antrieb ausgestatten waren. Die Tests verliefen erfolgreich, die Funktionsweise des Ionen-Antriebes war endgültig bestätigt.

Seit Anfang der neunziger Jahre arbeitet die NASA wieder verstärkt an Ionen-Antrieben. Zusammen mit dem Jet Propulsion Laboratory wurde das Projekt NASA Solar Electric Power Technology Application Readiness (NSTAR) ins Leben gerufen. Zu seinen Aufgabe zählte es, einen solarbetriebenen Xenon-Ionen-Antrieb zu entwickeln. Nach über 8 000 Stunden Test unter Weltraumbedingungen wurde das Ergebis fester Bestandteil von Deep Space 1.

Deep Space 1 – Tests für Exoten

Die unbemannte Raumsonde Deep Space 1 benutzt als Treibstoff Xenon, ein Edelgas, das viermal schwerer ist als Luft. Zunächst wird dieses Gas ionisiert, indem es mit Elektronen aus einer Kathode beschossen wird. Ein getroffenes Xenon-Atom verliert dabei eines seiner 54 Elektronen. Zurück bleibt ein positiv geladenes Ion, das nun in einem elektrischen Feld beschleunigt werden kann. Dazu legt man bei Deep Space 1 eine Spannung von bis zu 1280 Volt an ein Metall-Gitter an. Dadurch übt das Gitter eine Kraft auf das Ion aus, das Ion eine entpsrechende Gegenkraft auf das Gitter. Dies bewirkt eine Beschleunigung des Raumschiffs.

Im Gegensatz zu einem chemischen Antrieb ist die Leistung eines elektrischen Antriebs ziemlich gering. Deshalb können sich elektrische Raketen nicht selbst vom Erdboden ins Weltall heben. Dazu sind dann doch konventionelle Trägerraketen mit chemischer Antriebstechnik nötig. Ist die neue Ionen-Technik aber erst einmal im Weltraum, kommt sie mit viel weniger Treibstoff aus und nutzt diesen zehnmal effizienter. Deshalb kann ein elektrischer Antrieb Monate – wenn nicht Jahre – laufen und somit auch weit entfernte Teile unsere Sonnensystems erkunden. Diese Einsicht äußerte von Braun bereits in den fünfziger Jahren. Mit Deep Space 1 wurde sie Wirklichkeit.

Deep Space 1 ist ein Prototyp, mit dem neben dem elektrischen Ionen-Antrieb auch andere mehr oder weniger exotische Technologien getestet werden. Alles um Raumfahrt kompakter, preiswerter und zuverlässiger zu machen. Natürlich läuft dies nicht immer ohne Probleme ab. So erwies sich auch der Ionen-Antrieb als recht eigensinnig, als er im November 1998 auf Deep Space 1 aktiviert wurde. Das System beschloß, sich nach viereinhalb Minuten selbst abzuschalten. Und da das Warten von Technik im Weltraum recht aufwendig ist, hieß es, sich in Geduld zu üben. Es hatte sich wohl ein Fremdkörper an das Beschleunigungs-Gitter geheftet. Durch das ständige Dehnen und Schrumpfen von Deep Space 1 aufgrund der Sonneneinstrahlung löste er sich. Zwei Wochen nach dem ersten Versuch startete der Antrieb wieder – diesmal ohne Murren. Er arbeitet seitdem immer noch.

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