Direkt zum Inhalt

News: Dicke Luft über dem Indischen Ozean

Vorläufige Ergebnisse des internationalen Forschungsprojekts INDOEX (INDian Ocean EXperiment) zeigen, daß Luftschadstoffe in dramatischer Weise in der Region des nördlichen Indischen Ozeans zunehmen. Wissenschaftler waren überrascht zu sehen, daß sich ein bräunlicher Dunstschleier aus Schadstoffen von der Meeresoberfläche bis in Höhen von ein bis drei Kilometern erstreckte. Diese Dunstschicht überdeckte während der sechswöchigen INDOEX-Meßkampagne fast ununterbrochen einen Großteil des untersuchten Gebiets.
Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz beteiligen sich gegenwärtig an der Auswertung des INDOEX-Projekts, das im Februar begann und sich bis Ende März 1999 erstreckte. Sie untersuchen nun, wie die Luftverschmutzung über dem tropischen Indischen Ozean das Klima beeinflußt. Aus Asien und dem Indischen Subkontinent stammende Schadstoffe werden während des Winters durch den Nordost-Monsun auf den Indischen Ozean hinausgetragen. Das INDOEX-Projekt will klären, wie diese Schadstoffe durch die Atmosphäre transportiert werden und wie sie auf die Zusammensetzung der Atmosphäre und die Sonnenstrahlung über dem Meer einwirken.

Die betroffene Region umfaßt den größten Teil des nördlichen Indischen Ozeans einschließlich des Arabischen Meeres, große Teile des Golfs von Bengalen und die äquatornahen Bereiche des Indischen Ozeans bis etwa fünf Grad südlicher Breite. Der Dunst wird durch hohe Konzentrationen kleiner Teilchen, sogenannter Aerosole, verursacht, deren Durchmesser meist nur wenige Mikrometer (tausendstel Millimeter) beträgt. Die Dunstpartikel bestehen hauptsächlich aus Ruß, Sulfaten, Nitraten, organischen Substanzen, Flugasche und Mineralstaub. Wegen dieser Verschmutzung betrug die Sichtweite über der offenen See oft weniger als zehn Kilometer, eine sonst eher für die schadstoffreichen Gebiete der USA und Europas typische Distanz.

Die Dunstschicht enthält auch relativ hohe Konzentrationen an Gasen, vor allem Kohlenmonoxid, Schwefeldioxid und verschiedene organische Verbindungen. Diese hohen Gaskonzentrationen sind der schlüssige Beweis dafür, daß sich die Dunstschicht auf vom Menschen verursachte Verunreinigungen der Luft zurückführen läßt.

Die Dunstpartikel streuen und absorbieren die Sonnenstrahlung, ein Vorgang, der den Anteil des Sonnenlichts, das die Meeresoberfläche erreicht, verringert. Die Partikel reduzieren somit auch die einfallende Sonnenenergie, die sonst das System Erde-Atmosphäre aufheizen würde: In der verschmutzten INDOEX-Region schwächen die Dunstpartikel die Sonnenstrahlung, die von der Meeresoberfläche absorbiert wird, um bis zu zehn Prozent ab.

Da sie einen großen Anteil an Ruß und an anderen Substanzen aus unvollständig verbrannten Brenn- und Abfallstoffen enthalten, sind die Teilchen in der Luft über dem nördlichen Indischen Ozean ungewöhnlich dunkel gefärbt. Dunkle Aerosole absorbieren die Sonnenstrahlung stärker, ein Prozeß, der die dynamischen Eigenschaften der Atmosphäre so beeinflussen kann, daß sich Wetter und Klima ändern.

Die Schadstoffaerosole können die Sicht und die Wolkenbildung beeinträchtigen, da Wasserdampf an den Teilchen kondensieren kann. Über dem Arabischen Meer und möglicherweise auch in anderen Gebieten des nördlichen Indischen Ozeans sind oberflächennahe Wolken oft so stark in Dunst eingebettet, daß sie nicht mehr zu sehen sind.

Die Wissenschaftler versuchen abzuschätzen, inwieweit die Dunstschicht die Eigenschaften der Wolken, beispielsweise die Konzentrationen der Wassertröpfchen in den Wolken, die Entstehung von Regen und die Helligkeit von Wolken beeinflußt. Von großer Bedeutung für Klimaprozesse sind Veränderungen der Wolkenhelligkeit, da diese den Anteil der Strahlung bestimmen, welche in den Weltraum reflektiert wird.

Die Wissenschaftler der INDOEX-Expedition waren über die dichte Dunstschicht aus Schadstoffen, die aus 1000 Kilometer oder weiter entfernten Quellen stammen, überrascht. Sie vermuten, daß die Verschmutzungsphänomene, die während der Meßkampagne beobachtet wurden, beispielhaft für großräumige Schadstofftransporte sein können, wie sie sich sich auch in anderen Teilen der Erde abspielen.

Im Gegensatz zur Situation über dem nördlichen Indischen Ozean bleibt die untere Atmosphäre über dem südlichen Indischen Ozean auffallend sauber. Das südliche Gebiet wird nämlich von der Atmosphäre der Nordhalbkugel durch die innertropische Konvergenzzone (ITCZ) abgetrennt, die sich zu dieser Jahreszeit rund fünf bis zehn Grad südlich des Äquators befindet. Die Konvergenzzone, wo sich heftige und hoch in die Atmosphäre reichende Gewitter über diesem wärmsten Teil des äquatornahen Ozeans bilden, vermag verschmutzte Luftmassen aufzunehmen und einen großen Teil der Schadstoffe durch Regen auszuwaschen. Die Wolken in der ITCZ können jedoch auch nennenswerte Mengen von Schadstoffen in die obere Atmosphäre transportieren, von wo sie sich über ein großes Gebiet verbreiten können.

INDOEX ist das erste große internationale Programm zur Erforschung des Transports und der Auswirkungen von Schadstoffen in der Zeit zwischen ihrem Entstehen und ihrem Verschwinden aus der Atmosphäre über dieser fernen ozeanischen Region. Die meisten Studien zum Transport atmosphärischer Schadstoffe haben sich bisher auf Meeresgebiete konzentriert, die durch Emissionen aus Nordamerika und Europa betroffen waren. Die Aerosolpartikel über dem Indischen Ozean unterscheiden sich von denen über Nordamerika und Europa, wo fortgeschrittene Abgastechnologie dunkles Material zurückhält und Teilchen emittiert, die relativ "weiß" sind und einen anderen Effekt auf die Strahlungsprozesse haben können. Somit scheint die Wirkung "asiatischer" Schadstoffteilchen auf Klimavorgänge grundsätzlich anders zu sein als die der Aerosole über Nordamerika und Europa. INDOEX hat eine Fülle wichtiger und einzigartiger Daten für globale Klimamodelle geliefert, mit denen der Einfluß der Aerosole auf das Klima nun bewertet werden kann.

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.