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News: Die Mädchen für alles

Viele Mediziner setzten bei des Behandlung von Hirnerkrankungen große Erwartungen in neuronale Stammzellen, die in der Lage sind, sich in beliebige Hirnzellen zu wandeln. Anlaß zu weiterer Hoffnung geben Studien eines Bostoner Forschungsteams. Bei Versuchen an Mäusen zeigten sich diese Stammzellen noch flexibler als bislang angenommen. In das Gehirn der an Tremor erkrankten Tiere injiziert, verteilten sie sich selbständig und übernahmen automatisch die Funktion der erkrankten Zellen. Es schien, so die Forscher, als hätten die transplantierten Zellen von sich aus das Problem erkannt und eingegriffen.
Das Team um Evan Snyder von der Harvard Medical School untersuchte Mäuse eines mutierten Stamms, die unter einer starken Tremor-Erkrankung litten. Den Mäusen fehlte ein Schlüsselprotein, das sie zur Myelinproduktion benötigten. Myelin isoliert bei gesunden Tieren, als Hauptbestandteil des Nervenmarks, die Neuronen. Infolge der verminderten Myelinproduktion litten die untersuchten Mäuse daher ab der zweiten bis dritten Lebenswoche an starken Zitterbewegungen. Snyder und seine Kollegen injizierten kultivierte neuronale Stammzellen in die Hirnventrikel neugeborener Mäuse der gleichen Familie.

Die Forscher konnten beobachten, daß sich die transplantierten Stammzellen über das Hirn verteilten, sich in gewöhnlich aussehende Oligodendrocyten wandelten und mit der Proteinproduktion begannen. Bei sechzig Prozent der Mäuse konnte auf diese Weise die Zitterkrankheit fast vollständig geheilt werden. Faszinierenderweise war die Wahrscheinlichkeit, daß sich die injizierten Stammzellen in Oligodendrocyten wandelten, bei den mutierten Tieren deutlich höher als bei gesunden Mäusen. Das läßt vermuten, daß die Transplantate auf noch nicht bekannte Weise die Krankheit erkennen.

Bereits seit Jahren versuchen Wissenschaftler, Hirnerkrankungen durch den Einsatz neuronaler Stammzellen zu Leibe zu rücken. Zum Beispiel hofften die Forscher, die Parkinsonsche Krankheit, die auf Störungen in einem Teil des Gehirns zurückzuführen ist, durch Transplantation gesunder Stammzellen zu heilen. Nach den Ergebnissen, die das Bostoner Team am 8. Juni 1999 in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht hat, ergibt sich aber vielleicht ein noch viel breiteres Spektrum an Möglichkeiten. Hiernach wäre es prinzipiell auch möglich, Krankheiten zu heilen, die Zellen über einen wesentlich größeren Bereich des Hirns betreffen, wie zum Beispiel Multiple Sklerose.

Da sie weder durch Giftstoffe noch durch Infektionen geschwächt wurden, sind die Transplantate in vielen Fällen robuster, als die im kranken Tier bereits vorhandenen Stammzellen. Jedoch muß getestet werden, ob sich die transplantierten Zellen im Alterungsprozeß weiterhin normal verhalten. Bevor untersucht werden kann, ob neuronale Stammzellen, in menschliche Gehirne transplantiert, genauso wirken, ist also noch viel zu tun.

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