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News: Ist Sprache eine Folge von Mißverständnissen?

War der Name nun Wolf oder Rolf? Es geschieht so oft, daß man einzelne Laute nicht versteht. Vielleicht um Mißverständnisse zu vermeiden, kombinierten unsere Vorfahren irgendwann einzelne Laute zu mehrsilbigen Wörtern - und diese zu Sätzen. So könnten die verschiedenen Sprachen entstanden sein. Zumindest entwickeln virtuelle Tiere aus unterschiedlichen Tönen einen gemeinsamen 'Sprachschatz', wenn sie dafür mit mehr Nachkommen belohnt werden.
Wie eine Sprache entsteht, ist für Linguisten ein zentraler Forschungsgegenstand. Noam Chomsky meint, daß einige grammatikalische Aspekte in allen Sprachen auftreten und quasi "angeboren" sind. "Es ist aber sehr schwer, diesen universalen Kern einzuengen", sagt David Krakauer vom Institute for Advanced Studies in Princeton. Er ist darum mit seinem Mitarbeiter Martin Nowak einen neuen, etwas ungewöhnlichen Weg gegangen, um die Entstehung von Sprache zu untersuchen. Die Ergebnisse wurden am 6. Juli 1999 in den Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht (Abstract).

Als Grundlage ihres Experiments wählten sie Darwins Prinzip vom Überleben des Geeigneteren. Sie kreierten ein Planspiel, in dem einhundert virtuelle Tiere in einer Computerhöhle zusammen lebten. Jedes Tier konnte fünf Töne erzeugen, mit denen es jeweils eins von fünf Objekten bezeichnete. Dabei konnten die Töne je nach Tier verschieden sein. Die "Sprachbegabtesten", also diejenigen, die sich am besten mit ihren Mitbewohnern verständigen konnten, wurden mit einer größeren Nachkommenzahl "belohnt". Nach nur zwanzig Generationen unterhielten sich die Höhlenbewohner in einer Art "Ursprache" – sie benutzten alle dieselben Töne für die jeweiligen Gegenstände.

Die Entwicklung einer Ursprache ist jedoch nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer richtigen Sprache. Menschen können Tausende von Tönen erzeugen, in Sprachen werden jedoch meist nur ein paar Dutzend benutzt. Nach Krakauer würden tausend verschiedene Tönen keine bessere Verständigung ermöglichen als zwanzig – denn es käme ständig zu Mißverständnissen. Erst die Verknüpfung von einzelnen Lauten zu Wörtern ermöglicht es, immer mehr Dinge zweifelsfrei und für den anderen eindeutig zu beschreiben. So starben auch in Krakauers Versuch die Ursprachen nahezu aus, sobald erste Worte entstanden. Die Ergebnisse der beiden Wissenschaftler zeigen, daß auch die Evolutionsbiologie einen Beitrag zur Linguistik liefern kann.

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