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News: Neue Aussichten für die Behandlung von Nervenschäden

Verletzungen des ausgereiften Gehirns und Rückenmarks galten seit jeher als irreparabel. Bahnbrechende Forschungen der letzten zwei Jahrzehnte belegen jedoch, daß reife Zellen des zentralen Nervensystems ein erhebliches Potential zur Regeneration aufweisen.
Solon Thanos, Leiter der Experimentellen Ophthalmologie an der Klinik für Augenheilkunde der Westfälischen Wilhelms-Universität beschreibt in dem Artikel "Überbrückung von Hirnverletzungen mit Nerventransplantaten" im Forschungsjournal der Westfälischen Wilhelms-Universität in der aktuellen Ausgabe des Forschungsjournals neuartige Ansätze für die Behandlung von Nervenschäden. Aufgrund der Erfolge im Labor rechnet Thanos damit, daß die neuen Techniken in wenigen Jahren auch in der Medizin zum Einsatz kommen.

Während das periphere Nervensystem, die Fortsätze außerhalb des Schädels und Rückenmarks, zur Regeneration befähigt ist, sind reife Neuronen des zentralen Nervensystems hierzu nicht in der Lage – so lautete das "Dogma der Neurobiologie", eine Ansicht, die sich zu Beginn des Jahrhunderts etablierte. Für lange Zeit galt die Auffassung, daß Wachstumsprozesse des zentralen Nervensystems spätestens nach der postnatalen Stabilisierungsphase eingestellt werden. Doch dieses Dogma ist "geknackt". Experimente an der Universität Münster, durchgeführt an Zell-Kulturen und mit Tieren, haben dazu beigetragen.

Weshalb Mutter Natur die Regeneration unter normalen Umständen verhindert, ist eine offene Frage. Aber es zeichnet sich ab, wie der Mechanismus aussieht, der hierfür zuständig ist: Im Gehirn und Rückenmark wird die Heilung geschädigter Neuronen unterdrückt, weil das umliegende Gewebe, das natürliche Milieu der Nervenzellen, Hemmstoffe ausschüttet. Im Experiment zeigte sich, daß eine künstliche Umgebung aus peripherem Nervengewebe, den sogenannten Schwannschen Zellen, die Regeneration fördert. Dabei übernehmen Schwannsche Zellen eine Helferfunktion, indem sie Neurotrophine absondern. Diesen Substanzen wird eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung und Erhaltung von Nervenverbindungen zugeschrieben.

Bei der Behandlung von Nervenschädigungen setzen die Forscher auf den neuronalen Bypass, eine Technik, die sie an Labor-Ratten erfolgreich testeten. Hierbei wurde der verletzte Sehnerv der Tiere mit peripherem Nervengewebe überbrückt. Die durchtrennten Nervenfortsätze verlängerten sich in das Transplantat hinein. Nach Wachstum durch den Bypass hindurch erreichten sie den Anschluß zu ihren natürlichen Partnerzellen und konnten mit diesen Signale austauschen – die Ratten erlangten einen Teil ihrer Sehkraft zurück.

Laut Thanos muß diese Transplantationsmethode noch in weiteren Tier-Experimenten getestet werden, ehe sie den Zugang zur Klinik finden kann. Entsprechende Versuche mit Affen sind in Vorbereitung.

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