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News: Stand die Wiege der Affen in Asien?

Vierzig Millionen Jahre alte Zähne und Kieferfragmente einer neuen fossilen Affenart, die in Myanmar, dem früheren Burma, gefunden wurden, deuten darauf hin, daß die Urahnen der Affen vielleicht doch in Asien und nicht in Afrika entstanden sind. Die Überreste sind zusammen mit chinesischen Funden die ältesten Zeugnisse der Vorfahren aller fossilen und heutigen Affen und Menschenaffen, zu denen auch der Mensch zählt. Damit gerät der Stammbaum mal wieder ins Wanken.
Die Wissenschaftler des Myanmar-French Pondaung Expedition Project unter der Leitung von Jean-Jacques Jaeger von der Université Montpellier II entdeckten die fossilen Überreste in einer roten Lehmschicht. Anhand verschiedener Merkmale stellte sich heraus, daß es sich dabei um eine eigene Art handelt, welche die Wissenschaftler auf den Namen Bahinia pondaungensis tauften (Science vom 15. Oktober 1999). Das Tier war mit etwa 400 Gramm ein eher kleiner Vertreter der Primaten. Bei der geringen Größe und anhand der Zahnform vermuten die Wissenschaftler, daß sich der Baumbewohner vor allem von Insekten ernährte. An derselben Stelle fanden sie außerdem einen vollständigen Unterkiefer eines Amphipithecus, der wie Bahinia zu den Anthropoiden gezählt wird. Diese Gruppe umfaßt alle fossilen und heute lebenden Affen und Menschenaffen, das heißt auch den Menschen. Sie unterscheiden sich von den Halbaffen, zu denen zum Beispiel die Lemuren gehören, durch eine ganze Reihe anatomischer Merkmale.

Viele der frühen Anthropoiden wurden in Afrika, und hier vor allem in der ägyptischen Fayum-Fundstätte, entdeckt. Daher gehen viele Wissenschaftler davon aus, daß Afrika nicht nur die Wiege der Menschheit, sondern auch der Entstehungsort der gemeinsamen Vorfahren von Affen und Menschen ist. In den letzten Jahren reihten sich aber fossile Überreste von Anthropoiden aus Thailand, China und Myanmar in die Ahnentafel ein. Die asiatischen Funde aus der Zeit des mittleren bis späten Eozäns vor 49 bis 33 Millionen Jahre beinhalten dabei einige der am ursprünglichsten wirkenden Anthropoiden überhaupt. Eosimias, ein Fossil aus China, weist sogar so primitive Merkmale auf, daß sich Wissenschaftler uneins sind, ob es überhaupt zu den Anthropoiden gezählt werden darf.

Bahinias Zähne zeigen eine verblüffende Ähnlichkeit zu den Zähnen von Eosimias, was die Forscher dazu veranlaßte, die beiden in dieselbe Familie zu stellen. "Das Bahinia-Fossil ist sehr wichtig, weil es viel vollständiger erhalten ist als Eosimias", erläutert Jaeger. "Mit diesem zusätzlichen Material konnten wir sehr viel mehr Merkmale an den Zähnen untersuchen, und diese Merkmale bei Bahinia halfen uns dabei zu bestätigen, daß es sich bei Eosimias wirklich um einen Anthropoiden handelt."

Die beiden Fossilien sind die ursprünglichsten Überreste, die bisher ausgegraben wurden, und sie kommen beide nur in Asien vor. Jaeger und seine Mitarbeiter sehen darin – zusammen mit weiteren fossilen Funden – eine Unterstützung für die Ansicht, daß die Anthropoiden auf dem asiatischen Kontinent und nicht in Afrika entstanden sind. Das würde bedeuten, daß unsere Urahnen irgendwann nach Afrika einwanderten, wofür es nach Jaeger jedoch noch keine konkreten Hinweise gibt.

Auch die Uhren für die Entstehung der Anthropoiden müssen womöglich zurückgedreht werden. Bahinias Zähne weisen neben den anthropoiden Merkmalen einige Charakteristika auf, die auch von älteren, noch primitiveren Primaten bekannt sind. "Bahinia ist ein 40 Millionen Jahre altes Fossil, aber seine Zähne sehen so aus, als seien sie von einem Fossil, das 57 Millionen Jahre alt ist", erklärt Jaeger. "Besonders interessant daran ist, daß es zur selben Zeit auftritt wie Amphipithecus, ein weitaus fortschrittlicherer Anthropoid. Es ist, als ob Ihre Vorfahren gleichzeitig mit Ihnen lebten." Die Wissenschaftler schließen daraus, daß die Wurzeln der Anthropoiden bis in das späte Paläozän vor 58 bis 55 Millionen Jahren zurückreichen könnten.

Jaeger und seine Mitarbeiter sehen in dem Fund von Bahinia auch eine Möglichkeit, Licht in das Dunkel um den frühesten gemeinsamen Vorfahren der Primaten zu bringen. Die bisher bekannten Fossilien aus dem Paläozän und dem Eozän gehören drei unterschiedlichen Gruppen an: den Adapiden, den Omomyiden und den Tarsiiden. Die Adapiden und Omomyiden sind eventuell mit den heutigen Lemuren und Loris zu vergleichen. Von den Tarsiiden gibt es heute noch die Gattung Tarsius, die in Südostasien lebt. Die nachtaktiven Tiere stehen zwischen den Primaten wie Omomyiden und den modernen Primaten, zu denen die Affen und Menschenaffen inklusive des Menschen zählen. In jeder dieser Gruppen wurde schon der Ursprung der Anthropoiden vermutet, und für jede wurde bereits die engste Verwandtschaft postuliert. Die französischen Forscher vermuten nun anhand eines Vergleichs der Zahnstrukturen, daß ein Tarsiide die Urmutter der Anthropoiden war. "Um das Problem endgültig zu lösen, brauchen wir aber noch mehr Fossilien wie Schädel und Gehörknöchelchen", meint Jaeger.

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