Direkt zum Inhalt

News: Buchstabensalat und Wörtersuppe

Kinder, die Schwierigkeiten beim Lesen oder Schreiben haben, werden gelegentlich als geistig behindert aufgefaßt, obwohl sie normal intelligent sind. Doch eine frühe Diagnose der als Dyslexie bezeichneten Schwäche würde eine auf sie abgestimmte Schulung ermöglichen. Auf einer Tagung in Miami diskutierten Wissenschaftler unter anderem den Zusammenhang zwischen Dyslexie und Fehlfunktionen im Kleinhirn. Mit einem ganz einfachen Test auf ordnungsgemäße Funktion des Kleinhirns könnte die Dyslexie entsprechend früher diagnostiziert und richtig behandelt werden.
Bei etwa vier bis zehn Prozent aller Kinder wird Dyslexie diagnostiziert. Sie haben trotz normaler Intelligenz Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Sprechen. Manche Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang dieser Schwäche mit Fehlfunktionen im Cerebellum oder Kleinhirn, das für die Bewegungssteuerung und das Erlernen einfacher Bewegungsabläufe zuständig ist. Gelegentlich sind dyslexische Kinder besonders ungeschickt oder weisen Gleichgewichtsstörungen auf. Diese Symptome sind sonst von Menschen bekannt, deren Kleinhirn durch einen Schlaganfall oder einen Tumor geschädigt wurde.

Rod Nicolson von der University of Sheffield in Großbritannien berichtete am 25. Oktober 1999 auf der Jahrestagung der Society for Neuroscience in Miami, daß er bei dyslexischen Kindern leichte motorische Probleme und einen verringerten Blutfluß im Kleinhirn festgestellt habe. Er führt die dyslexischen Symptome darauf zurück, daß die Menschen nicht in der Lage sind, bestimmte Aufgaben zu automatisieren – sie also schnell und ohne große Anstrengung durchzuführen.

Ein ganz klassischer Test für das ordnungsgemäße Funktionieren des Kleinhirns ist eine Konditionierung, bei der Wissenschaftler Töne mit einem leichten Luftstoß verknüpfen. Die Versuchsobjekte – ob nun Ratten oder Menschen – lernen, daß sie nach einem Ton einen kleinen Luftstoß gegen die Augen bekommen, so daß sie bereits beim Hören des Tones die Augen schließen. Beteiligte mit einem geschädigten Kleinhirn schließen die Augen jedoch nicht vorher, sondern erst, wenn sie den Luftzug spüren – sie erlernen die Verknüpfung nicht. Joan Coffin und Brian L. Jones vom King's College in Wilkes-Barre, Pennsylvania, führten diesen Test an zehn Schülern mit Dyslexie, fünf weiteren mit anderen Lernstörungen und 15 Schülern mit normalen Lesefähigkeiten durch. Diese 15 und die Schülern mit anderen Lernstörungen zwinkerten in 65 Prozent der Zeit unfreiwillig vor dem Luftzug, während die Jugendlichen mit Dyslexie nur in zehn Prozent der Zeit blinzelten.

Gemäß Markus Shugens von der Universität Bochum unterstützen diese Ergebnisse die Annahme, daß Dyslexie in irgendeiner Weise mit dem Kleinhirn verbunden ist. Allerdings seien die neurologischen Grundlagen davon noch unklar. So nehmen andere Wissenschaftler an, daß eine verlangsamte Verarbeitung von akustischen oder visuellen Informationen zu Dyslexie führen könne.

Coffin meint, falls der "Zwinkertest" Dyslexie wirklich zuverlässig vorhersagen könne, wäre es möglich, schon kleine Kinder mit Schwierigkeiten beim Lesenlernen zu finden, und so rechtzeitig richtig zu fördern.

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.