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News: Heiße Quelle in kaltem Wasser

Ein spektakulärer Fund gelang dem Mainzer Geochemiker Eric Hellebrand vom Max-Planck-Institut für Chemie während der diesjährigen Arktisexpedition des Forschungseisbrechers 'Polarstern': Am Rande des Lenatrogs, eines Tiefseegrabens zwischen Spitzbergen und Nordgrönland mit Tiefen über 4000 Meter, entdeckte er einen sogenannten Black Smoker.
"Schwarze Raucher" nennt man heiße Quellen am Ozeanboden, die mit Eisen und anderen Metallen angereicherte Schwefelverbindungen ausstoßen. Die auf hohe Temperaturen gebrachten Wässer laugen die Gesteine regelrecht aus. Kommt die extrem angereicherte Lösung mit dem kalten, sauerstoffreichen Meerwasser in Berührung, kristallisieren die Sulfide sofort aus und verursachen die schwarze Färbung.

Als die Gesteinsdredsche – eine Stahltonne, die am Ozeanboden, meist in Hanglagen, entlanggezogen wird – an Bord der Polarstern ausgekippt wurde, polterte ein 25 kg schwerer Brocken reiner Schwefelkies auf das Arbeitsdeck: jenes Mineral, das seines goldenen Glanzes wegen Katzengold genannt wird, oder petrographisch exakt: Pyrit. "Das Merkwürdige daran ist", sagt Eric Hellebrand vom Max-Planck-Institut für Chemie, Mainz, "daß wir an dieser Stelle keine Anzeichen magmatischer Ausgüsse, sondern ausschließlich Gesteine aus dem Erdmantel, sogenannte Peridotite gefunden haben, die normalerweise erst in Tiefen ab sechs Kilometer vorkommen. Wir haben also ein hydrothermales Erzfeld auf gealtertem Mantelgestein. Diese Kombination gibt es nur noch einmal in der ganzen Welt, am Mittelatlantischen Rücken in der Nähe des Äquator."

Nach Black Smokern sucht man meist zielgerichtet und mit großem Aufwand, weil man hofft, in deren Nähe marine Rohstoffreserven zu finden oder aus deren Entstehungsgeschichte Kenntnisse über Lagerstätten an Land ableiten zu können. Dann wird das Meer zunächst nach Anzeichen bestimmter Elemente beprobt, ist man fündig geworden, taucht man mit Robotern und U-Booten an die verheißungsvolle Stelle. Noch nie wurde hydrothermales Sulfidgestein mit einer Dredsche gezogen und noch nie im Eismeer angetroffen. Daß Black Smoker so weit nördlich, in diesem Fall auf 81 Grad nördlicher Breite, auftreten können, war zwar nicht auszuschließen, denn der Mittelatlantische Rücken, an dem die großen Krustenplatten durch aufsteigendes Material auseinandergedrückt werden, setzt sich über die Framstraße bis in den Arktischen Ozean fort. Aber unter den Bedingungen einer fast geschlossenen Eisdecke ist es generell schwer, Informationen über den Ozeanboden zu sammeln, so daß unser Wissen darüber an der Dauereisgrenze schlagartig auf fast Null sinkt. Die Polarstern hatte Mühe, überhaupt ein Wasserloch zu finden und war bei der für das Dredschen in mehr als 3000 m Tiefe erforderlichen Manövrierfähigkeit eingeschränkt. Ob die heiße Quelle noch sprudelt, kann derzeit nicht gesagt werden. Da Schwefelkies vom Meerwasser auch wieder schnell zersetzt wird, müssen die Erzbildungen zumindest sehr jung sein.

An der zweiten Probestation der Polarstern über einem etwas südlicher gelegenen Hang des Lenatrogs war die Dredsche randvoll mit Gesteinen aus dem Erdmantel gefüllt. Eric Hellebrand hatte gezielt danach gesucht. Einer auch unter Geologen noch fast unbekannten Hypothese folgend, die besagt, daß an langsam auseinander driftenden Ozeanrücken Mantelgesteine häufig vorkommen müßten, wurde die Erwartung nicht enttäuscht. Wiederum überraschte die Ausschließlichkeit des Vorkommen von Peridotiten. Wenn man Gestein aus dem Erdmantel, der sich unterhalb der Erdkruste anschließt, an der Oberfläche findet, geht man davon aus, daß es keine verbreitete magmatische Quelle in der Nähe geben kann. Flösse Magma empor, würden Basalte die Oberfläche abdecken. Fehlender Basalt läßt auf einen relativ kühlen Untergrund schließen – trotz der tiefreichenden Bruchzone, die der Lenatrog darstellt. Dort scheiden sich die beiden Kontinente Nordamerika und Europa. Dort reißt der ozeanische Boden auf, allerdings sehr langsam, mit einer Geschwindigkeit von weniger als einem Zentimeter im Jahr. Der Trog kann als ein Frühstadium eines größer werdenden Ozeans verstanden werden. Die Frage ist: Was füllt den Spalt, wenn das Magma fehlt?

Eric Hellebrand meint, daß die Lücke geschlossen wird, indem an den Hanglagen eines Troges flache Schollen entlang der Scherzone in die Tiefe rutschen und gleichzeitig anderes, wärmeres und dadurch leichteres Material nach oben steigt. An den Scherflächen dringt Wasser ein, das mit dem Mantelgestein reagiert. Dann entsteht Serpentin – jenes Gestein, das wir manchmal in feinen Restaurants als "grünen Marmor" antreffen. Vollständig und in tiefen Schichten zu Serpentin gealterter Peridotit sieht allerdings fast schwarz aus. Nahe der Oberfläche entstandener Serpentin kann eine freundliche hellbraune bis ockergraue Farbe haben. Bei dieser "Serpentinisierung" wird bis zu 13 Prozent Wasser aufgenommen, wodurch sich zusätzlich das Volumen vergrößert.

Eine Dredsche vom Westhang des Lenatrogs war dann doch noch mit Basalt gefüllt. Damit ist das nördlichste bisher bekannte massive Basaltvorkommen im Atlantik dokumentiert; der nächste aktive Rücken mit Basalt befindet sich mehr als 500 Kilometer weiter südlich. Unter den Fundstücken fielen ganz junge, sogenannte Kissenbasalte und zungenartige Bildungen auf, so daß man noch den Fluß der Lava erkennen kann, und zum Teil frische Krusten, die wie schwarzes Glas aussehen – alles Anzeichen eines bis an oder noch in der Gegenwart aktiven Vulkanismus. Wobei wiederum interessant ist, daß das vulkanische Zentrum offenbar nicht in der Mitte, sondern am Rande des Gebirgstroges zu suchen ist. Demnach muß der Mittelatlantische Rücken in diesem Bereich als eine magmatisch "ausgehungerte" (magma starved) Zone verstanden werden.

Mit dieser Fundserie, die Eric Hellebrand für einen ausgesprochenen Glücksfall hält, ist nun eindeutig erwiesen, daß es sich bei den Gebirgsstufen des Lenatrogs mit Sprunghöhen von über 1000 m nicht um abgebrochene und abgesunkene kontinentale Fragmente handelt, sondern um Produkte eines aktiven ozeanischen Rückens. Das wurde mit Hilfe geophysikalischer Verfahren bereits festgestellt – allein, erst wenn die Modelle der Geophysiker mit Steinen belegt sind, ist an der Theorie nicht mehr zu rütteln, denn: "Steine lügen nicht.

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