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News: Bienen im 'Winterschlaf'

Ähnlich Pflanzensamen verbringen die Larven kleiner Bienen in der Chihuahua-Wüste Nordamerikas viele Monate wie in einer Art Winterschlaf im Boden. Das Ende der Regenzeit jedoch lockt die kleinen Brummer an die Oberfläche: Es löst die Verpuppung aus, und die Tiere schlüpfen zeitgleich mit dem Blumenteppich. Um das Überleben der Population auch nach schlechten Jahren zu sichern, lassen sich manche aber noch bis zum nächsten Jahr Zeit. Entscheidend für die Wahl ist dabei das Gewicht - je dünner die Biene, desto größer ist ihre Chance, den Schritt ins Erwachsenenleben zu machen.
Wie für viele anderen Trockengebiete gilt auch für die Chihuahua-Wüste – die größte Wüste des nordamerikanischen Kontinents: Die meiste Zeit im Jahr ist es trocken, heiß und unwirtlich. Aber ein kleiner Regenguß verwandelt die kargen Böden in ein Blumenmeer.

Doch nicht nur die Blumen – auch die Bienen lockt der Regen offensichtlich an die Oberfläche. Denn die kleinen Blütenbesucher überdauern wie die Samen der Pflanzen die Trockenzeiten als Larven im Boden. Manchmal verbringen die Tiere dort sogar mehr als ein Jahr in einem Erstarrungszustand, den Biologen "Diapause" nennen. Wie Pflanzensamen sind die Larven großer Hitze und niedriger Feuchtigkeit ausgesetzt und bedroht von Austrocknung, Pilzbefall und nahrungssuchenden Ameisen.

Das Ende der Regenzeit löst bei den Tieren die Verpuppung aus, und nach kurzer Zeit schlüpfen die ausgewachsenen Bienen. Die kleinen Brummer mit dem Namen Perdita portalis sind noch nicht einmal so groß wie unsere Stubenfliegen. Sie besuchen und bestäuben vor allem Blüten von Sphaeralcea – einer mit der Baumwolle verwandten Malvengattung.

Aber nicht alle Larven folgen der Regel, wie Bryan N. Danforth von der Cornell University in der Oktober-Ausgabe 1999 der Proceedings of the Royal Society of London berichtet. Manche überdauern auch noch längere Zeit. Für Danforth verbirgt sich dahinter die Strategie, den Bestand zu sichern, falls einmal ein für die Bienen schlechtes Jahr kommt, in dem sich viele Nachkommen nicht fortpflanzen können. Darum gehen sie lieber auf Nummer sicher.

"Dies sind Hinweise auf Lebensweise mit 'Risikoversicherung'", meint Danforth. "Die Bienen unterbrechen ihre Fortpflanzung im ersten Jahr, um sie im zweiten Jahr dann fortzusetzen. Dies ist außerdem die erste Studie, die den Regen als Auslöser für das Schlüpfen nachweist. Es ist sehr bemerkenswert, daß die Emergenz der Bienen vom Regen induziert wird, und es erklärt weiterhin, warum Bienen in trockenen Regionen so vielfältig sind." Diese Strategie der 'Risikoversicherung' könnte auch ökologische Effekte haben, weil sich dadurch die absolute Artenzahl der blütenbestäubenden Wüstenbienen womöglich vergrößert.

Während der Diapause verlieren die Larven einige Prozent an Körpergewicht. Und je mehr sie abnehmen, desto größer ist interessanterweise die Wahrscheinlichkeit, daß sie sich nach der nächsten Regenzeit verpuppen und schlüpfen. Männliche Larven verlieren bis zu 14 Prozent ihres Gewichts, weibliche Tiere nehmen dagegen nur um sieben Prozent ab.

Danforth findet es bemerkenswert, daß die gleichen Lebensbedingungen bei Bienen und Pflanzen zu so ähnlichen Strategien geführt haben. Für die Samen der einjährigen Kräuter wie für die Larven der überwinternden Bienen bleibt nach den Monsunregen nur eine sehr kurze Zeit zum Heranreifen und Fortpflanzen. Die meisten Niederschläge in dieser Region fallen im Juli, August und September, manchmal begleitet von heftigen Stürmen und Gewittern. Danach müssen sich die Tiere wie die Pflanzen beeilen, bevor ihnen die Trockenheit wieder das Leben schwermacht.

Im übrigen seien es sehr gleichheitsbewußte Bienen, erzählt Danforth. Anders als bei ihren honigproduzierenden Verwandten gibt es keine Königinnen und keine Arbeiterinnen. "Jede ist Königin, und jede ist Arbeiterin", erklärt der Wissenschaftler.

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