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News: Winzige Supraleiter

Physiker der Universität Jena haben mittels Dünnschicht-Technologie einen drei mal drei Mikrometer großen Kontaktstapel (Mesa) aus supraleitendem Material erzeugt und stoßen damit die Tür auf zu einer weiteren Miniaturisierung kryoelektronischer Bauelemente. Der entscheidende Fortschritt: Dabei wird der intrinsische Josephson-Effekt ausgenutzt, der sich bereits auf atomarer Ebene einstellt.
Noch schnellere Rechner, noch kleinere Schaltkreise, noch sensiblere Meßsensoren? – Warum nicht! Für den Jenaer Universitätsprofessor Paul Seidel ist das Tor zu einer neuen Dimension in der modernen Elektronik gerade erst einmal aufgestoßen. Die Supraleitertechnologie mit Bauelementen aus dünnen Schichten eröffnet bislang ungeahnte Perspektiven. Mit Petaflop-Computern, millionenmal schneller als gewöhnliche PCs, rechnet der Festkörperphysiker schon in den nächsten 30 Jahren.

Die würden allerdings die bekannten Josephsonkontakte nur auf der Basis herkömmlicher Supraleitermaterialien nutzen, meint Seidel. Er selbst spürt inzwischen dem intrinsischen Josephsoneffekt nach, der sich in Hochtemperatursupraleiter-Material auf atomarer Ebene einstellt, und baute bereits erste drei mal drei Mikrometer winzige Kontaktstapel (Mesa), die mühelos mit sehr hohen Frequenzen über einer Billion Hertz arbeiten.

Was hat es nun mit diesem ominösen Josephson-Effekt auf sich? – In supraleitenden Materialien wird Strom bei sehr niedrigen Temperaturen ohne elektrischen Widerstand, also verlustfrei, transportiert. Das besorgen sogenannte Cooper-Paare, die innerhalb der Elektronenstruktur des Leiters ein eigenes System bilden. Interessant ist, daß sich alle diese Cooper-Paare in demselben Quantenzustand befinden – ein Phänomen, das man sonst nur von einzelnen Teilchen (Quanten) kennt.

Bringt man nun zwei solcher Cooper-Paar-Systeme in eine schwache Kopplung, etwa indem man zwei Supraleiter nur durch einen extrem dünnen Isolator von einander trennt, so stellen sich jene Effekte ein, die der Waliser Physiker Brian Josephson 1962 vorhersagte und die sich ein Jahr später experimentell bestätigten: An der Kontaktstelle fließt Strom bis zu einem Maximalwert, ohne daß eine Spannung abfällt, und durch ein angelegtes äußeres Magnetfeld läßt sich die kritische Stromstärke modulieren. Zweitens erzeugen höhere Stromstärken auch eine sehr hochfrequente Spannung, wobei Spannung und Frequenz eindeutig von einander abhängen, die Frequenz also über die Span-nung regelbar ist.

Was kann man nun in der Praxis mit Josephsons – 1973 per Physik-Nobelpreis honorierten – Entdeckung anfangen? Spannungsnormale zur Kalibrierung von Meßgeräten mit Hilfe von Josephson-Kontakten sind weltweit inzwischen Standard. In der Nachrichtentechnik baut man hochpräzise Mikrowellengeber, und in der chemischen Analytik werden bereits Spektrometer eingesetzt, die die Wechselwirkungen mit leistungsschwachen externen Strahlungsquellen, also zum Beispiel Molekülschwingungen chemischer Substanzen, ausnutzen. Mit Hilfe hochempfindlicher Magnetfeldsensoren, sogenannter SQUIDs werden somit zerstörungsfreie Materialprüfungen und biomagnetische Messungen möglich.

Das alles spielt sich zunehmend im Hochtemperatur-Supraleitbereich ab, das heißt bei ca. minus 150 Grad Celsius, die sich mittels Flüssigstickstoffkühlung relativ komfortabel erreichen lassen. Der einzige Nachteil dieser neuen Technologie gegenüber der weitaus teureren Tieftemperatursupraleitern (bei ca. minus 270 Grad Celsius): Die eingesetzten Materialien wie zum Beispiel Yttriumbariumkupferoxid sind technisch noch recht schwer zu beherrschen, weil kleinste Baufehler im Kristall und Unreinheiten bereits den Effekt verderben.

Auch aus diesem Grund kümmern sich der Jenaer Paul Seidel und sein Gruppe am Institut für Festkörperphysik um den intrinsischen Josephson-Effekt auf atomarer Ebene. Sie konstruierten nun Stapel von schwach gekoppelten Josephson-Systemen in drei mal drei Mikrometer großen "Türmchen", die am Jenaer Institut für Angewandte Physik mit Photo- und Elektronenstrahllithographie aus einer dünnschichtigen Grundplatte herausmodelliert wurden. Die Spitzen dieser "Türmchen" erhielten eine nanometerbreite Kerbe, so daß zwei Elektroden entstanden, folglich Strom und Spannung am Josephson-Kontakt sauber getrennt zu messen sind.

Der Clou besteht darin, daß bereits die Materialien in einer Kristallrichtung eine innere Struktur von supraleitenden und isolierenden Ebenen aufweisen, also einen Stapel von Josephson-Kontakten auf atomarer Ebene bilden. Dieser Effekt, ursprünglich an Einkristallen entdeckt, wurde in Jena erstmals auf dünne Schichten übertragen. Das ganze System befindet sich auf einem nur fünf mal zehn Millimeter großen Chip, arbeitet mit minimalem Kühlaufwand und generiert Schwingungsfrequenzen sogar im Terahertz-Bereich.

"Damit lassen sich zum Beispiel noch kleinere und noch empfindlichere Meßinstrumente bauen, die elektromagnetische Strahlung etwa im Mikrowellen- und Infrarotbereich detektieren", erläutert Seidel. Dabei denkt er auch an eine neue Chip-Generation die Supra- und Halbleitertechnologie auf einem Dünnschichtsystem hybridisieren. Allerdings verschweigt er nicht, daß die extreme Miniaturisierung in der Praxis noch eine ganze Menge Probleme bereitet: "Wir haben sehr lange gebraucht, bis wir unsere Mesa-Prototypen hinreichend exakt und mit scharfen Kantenstrukturen fehlerfrei aus der Grundplatte herausgeätzt hatten", gesteht er, "deshalb, und weil die Kopplung verschiedener Komponenten auf dem Chip noch recht schwierig ist, wird es bis zur industriellen Anwendung wohl noch ein paar Jährchen dauern..."

Siehe auch

  • Spektrum der Wissenschaft 10/97, Seite 20
    "Ein Quanteneffekt mit Pfiff"
    (nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
  • Spektrum der Wissenschaft 10/94, Seite 58
    "SQUIDs"
    (nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)

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