Direkt zum Inhalt

News: Gehörgang unter Druck

Wenn Sie einer Synphonie lauschen, ihre Lieblings-Rockgruppe hören oder den betörenden Gesang einer Nachtigall vernehmen, überlegen Sie sich dann, welche Prozesse Ihnen diesen Genuß überhaupt ermöglichen? Niemand will Ihnen das Vergnügen nehmen, aber was sie hören, sind nichts anderes als Schwingungen der Luft. Die Frequenz, die Amplitude und die Kombination der Schallwellen bestimmen, welche Töne das Ohr wahrnimmt. Diese Wellen empfängt das Trommelfell und gibt sie an das Innenohr weiter. Dort passieren sie drei Gehörknöchelchen und erreichen die Cochlea. Nun ist es Wissenschaftlern gelungen, im Ohr der Wüstenmaus die Druckschwankungen in diesem winzigkleinen, schneckenfömigen Gebilde zu messen. Danach scheint es, als ob sich Schallwellen in der Luft ganz anders ausbreiten als die Druckwellen in der Cochlea.
Das Ohr nimmt Luftschwingungen war, die zu unterschiedlichen Tönen gehören. Wenn diese Schwingungen das Innenohr erreichen, treffen sie auf die Cochlea. Diese besteht aus einer geschlossenen, aufgerollten Röhre, die mit Flüssigkeit gefüllt ist. Auf der sogenannten Basilarmembran, die im Zentrum der Cochlea verläuft, sitzen Zellen, welche die verschiedenen Frequenzen der Töne detektieren. Die Zellen registrieren alle Bewegungen der Membran, die durch Druckschwankungen in der Flüssigkeit ausgelöst werden. Welche Frequenz eine Zelle registriert, hängt von ihrer Lage auf der Membran ab. An einem Ende der Cochlea befinden sich Zellen, die für hohe Frquenzen sensibilisiert sind, auf dem anderen Ende sitzen die Zellen für niedrige Frequenzen.

Elizabeth Olson von der Princeton University in New Jersey ist es gelungen, die Druckschwankungen in Abhängigkeit der eintreffenden Töne zu messen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen hat sie in Nature vom 2. Dezember 1999 veröffentlicht. Beim Menschen ist die Cochlea nicht größer als die Spitze des kleinen Fingers. Da sie zudem noch sehr empfindlich ist, sind direkte Messungen sehr schwierig durchzuführen. Olson verwendete in ihren Experimenten eine Glaskapillare mit einem fünftel Millimeter Durchmesser, die an einem Ende mit einer goldbeschichteten Membran verschlossen und von einer LED beleuchtet wurde. Die Kapillare führte sie in die Cochlea von Wüstenmäusen ein und registrierte die Intensität des Lichtes, die von der Goldfolie reflektiert wurde. Diese reflektierte immer dann weniger Licht, wenn Druckänderungen in der Cochlea sie deformierten.

Olson interessierte hauptsächlich, wie sich die Druckänderungen auf Bereiche neben der Basilarmembran auswirken. Dazu führte sie die Kapillare dicht heran und stellte fest, daß sich die Membran nicht mehr als 15 Mikrometer verformte und die Deformation völlig unabhängig von der Frequenz war. Diese unerwartete Erkenntnis zeigt, daß die Cochlea ein weitaus feiner entwickeltes System ist, als Wissenschaftler bisher angenommen haben. Denn niederfrequente Schallwellen (tiefe Töne) legen in der Luft weitere Strecken zurück als hochfrequente, wobei sie weniger an Intensität verlieren als hohe Töne. Nicht so in der Cochlea: Hier ist die Eindringtiefe aller Tonhöhen dieselbe, wodurch die Effizienz mit der sie weitergeleitet werden, ebenfalls für alle Frequenzen gleich ist. Ein raffiniertes Organ also, das so manches Geheimnis birgt. Bleibt noch die Freude darüber, daß wir nicht im Vakuum leben, denn so klappt's auch mit den Schwingungen.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.