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News: Der Schatten eines Schwarzen Lochs

Kann man ein Schwarzes Loch sehen? Ja, lautet die überraschende Antwort. Oder zumindest bald. Ein neues 'Computer-Photo' vom Schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße zeigt einen dunklen Schatten, der fünfmal größer ist als erwartet - so groß, daß man ihn mit einem Verbund erdgebundener Radioteleskope eigentlich sogar beobachten könnte. Damit wäre ein echtes Photo eines Schwarzen Lochs keine Utopie mehr.
Schwarze Löcher lassen sich nicht direkt beobachten, denn ihre immense Schwerkraft hält innerhalb eines bestimmten Umkreises selbst Licht fest. Wer oder was diese als Ereignishorizont bezeichnete Grenze überschreitet, für den gibt es keinen Weg zurück, er wird unweigerlich eingesogen. Schwarze Löcher verraten sich aber durch ihren Einfluß auf die Umlaufbahnen naher Sterne oder durch hell strahlendes Gas, das ein letztes Mal aufleuchtet, bevor es endgültig im Dunkel verschwindet. In den Zentren anderer Galaxien haben Wissenschaftler diese Effekte schon länger beobachtet. Auch im Herzen unserer Milchstraße wird ein Schwarzes Loch vermutet, aber interstellarer Staub versperrt den direkten Blick. Infrarot- und Radiostrahlung erreichen uns allerdings relativ ungestört.

Bei entsprechender Auflösung sollte es noch eine weitere Möglichkeit geben, diese unsichtbaren Objekte zu erspähen. Denn wenn es sich wirklich um ein Schwarzes Loch handelt, müßte der Ereignishorizont als kreisförmiger Schatten zu sehen sein – begrenzt durch jene Photonen, die der Schwerkraft gerade noch entkommen konnten.

Zumindest in Computersimulationen, die auf Einsteins Relativitätstheorie beruhen, konnten Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn, der Johns Hopkins University in Baltimore und der University of Arizona in Tucson diesen Schatten nun tatsächlich sichtbar machen. Auf den Bildern ist er fünfmal größer als erwartet – so groß, daß er mit zusammengeschalteten erdgebundenen Teleskopen zu sehen sein müßte. Der Ereignishorizont erschien allerdings etwas gewaltiger, weil das Schwarze Loch auf sich selbst als Gravitationslinse wirkt (Astrophysical Journal Letters vom 1. Januar 2000).

Grundlage für die Berechnungen waren die Daten einer ultra-kompakten Radioquelle in Sagittarius A*, einem Punkt im Herzen unserer Milchstraße. Forscher gehen davon aus, daß es sich dabei um ionisiertes Gas ganz in der Nähe des Schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie handelt. "Infrarot-Beobachtungen derselben Gegend zeigen Sterne, die von einer enormen Masse in der Nähe von Sagittarius A* herumgewirbelt werden. Das ist der zur Zeit beste Hinweis auf ein Schwarzes Loch, den wir haben, aber noch kein endgültiger Beweis", erklärt Heino Falcke vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie.

Mit einem Ray-Tracing-Programm berechneten die Forscher die Bahnen einzelner Photonen durch den vom Schwarzen Loch gekrümmten Raum. Die wichtigsten Parameter sind dabei die Masse und die Rotation des Schwarzen Lochs. "Man kann sich das so vorstellen, daß man den Weg jedes Photons, welches in der Nähe des Schwarzen Loch ausgesandt wird, bis zum Beobachter zurück verfolgt", erklärt Fulvio Melia, Astrophysiker an der University of Arizona. "Das Programm berechnet dann den Effekt, den das Schwarze Loch auf die Bahn und die Wellenlänge der Photonen hat. Diese Effekte sind durch Einsteins Relativitätstheorie bereits sehr präzise vorhergesagt worden." Eine ähnliche, aber erheblich einfachere Rechnung habe schon der Physiker James Bardeen in den siebziger Jahren gemacht, berichtet Eric Agol von der Johns Hopkins University. "Zu dieser Zeit hatten wir aber noch kaum Informationen über das Galaktische Zentrum, und diese Arbeit wurde damals als rein theoretische Spielerei angesehen."

Um von der Radioquelle detailliertere Aufnahmen mit höherer Auflösung zu bekommen, hatten die Wissenschaftler mehrere Teleskope "zusammengeschaltet" – ein Verfahren, das Radiointerferometrie mit langen Basislängen (Very Long Baseline Interferometry, VLBI) genannt wird. "Die Auflösung ist dann so groß wie die eines Teleskops mit einem Durchmesser, der dem Abstand der Einzelteleskope entspricht. Im Extremfall kann man sogar den Durchmesser der Erde erreichen", erklärt Falcke. Eine weitere Verbesserung des Auflösungsvermögens versprechen sich die Astronomen von der sogenannten Millimeter-VLBI-Technik, bei der VLBI auch für kürzere Wellenlängen möglich sein soll.

"Ich glaube, wir haben gar nicht richtig realisiert, wie nahe wir mit dieser Technik schon am Schatten des Schwarzen Lochs sind", meint Falcke. "Mit der heutigen Auflösung könnten wir in der Entfernung von Los Angeles schon eine Radioquelle mit der Größe eines Senfkorns von Bonn aus sehen. Jetzt wollen wir noch einen Schritt weitergehen und ein Loch in diesem Senfkorn entdecken." Ein Ziel, das Anton Zensus, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, bereits für innerhalb von einigen Jahren realisierbar hält.

Algol warnt jedoch vor zu großen Hoffnungen. In den Berechnungen zeigte sich der Schatten zwar jedes Mal, unabhängig von der Struktur der Umgebung. In der Realität könnte es jedoch sein, daß die Wissenschaftler selbst bei geeigneter Auflösung doch nichts sehen – weil das leuchtende Gas in der Nähe des Schwarzen Lochs eventuell die zu beobachtende Radiostrahlung absorbiert. Diesen Effekt hatten die Forscher in den Rechnungen nicht berücksichtigt. Sie müßten dann auf kürzere Wellenlängen ausweichen, bei denen das Plasma auf jeden Fall transparent ist und der Schatten sichtbar werden sollte. Da die Erdatmosphäre aber Strahlung mit kürzerer Wellenlänge teilweise absorbiert, müßten die Aufnahmen dann von Weltraumteleskopen gemacht werden.

"Mit der Zusammenarbeit von Observatorien und der weiteren Entwicklung von Millimeter-VLBI sollte es uns bald gelingen, den echten Schatten eines Schwarzen Lochs zu sehen. Das wäre der endgültige Beweis, daß Schwarze Löcher und ihre Ereignishorizonte existieren", meint Falcke. Er weist allerdings darauf hin, daß die verfügbare Beobachtungszeit an Radioteleskopen hart umkämpft ist und ein derartiges Experiment einen erheblichen Einsatz von Mitteln und Arbeit erfordert. Wegen des möglichen Erkenntnisgewinns sind er und seine Ko-Autoren jedoch davon überzeugt, daß dieser Aufwand der Mühe wert ist.

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