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News: Flach und für ewig

Am Anfang war der Urknall. Und am Ende? Für das Universum wird es kein Ende geben. Es wird sich unaufhörlich, aber immer langsamer ausdehnen, da es nicht genug Masse beinhaltet, um die Expansion ganz aufzuhalten und schließlich zu kollabieren. Zu diesem Schluss führt die Vermessung der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung, aus deren Unregelmäßigkeiten sich die Vergangenheit und die Zukunft des Weltalls lesen lassen - vorausgesetzt, man verfügt über die nötige Rechenkapazität.
Ballons steigen lassen ist eine prima Sache. Wenn jedoch jemand diesem Vergnügen umbedingt in der Antarktis nachgehen möchte, dann steckt dahinter sicherlich mehr als purer Spieltrieb. Für Wissenschaftler hat der Südpol trotz niedriger Temperaturen seine ganz besonderen Reize. Dazu gehört ein Sommer, in dessen Verlauf die Sonne auch bei Nacht hoch am Himmel steht. Die kontinuierliche Bestrahlung sorgt dafür, dass die Gasmenge in Forschungsballons relativ konstant bleibt und die fliegenden Messstationen somit lange Zeit in der gleichen Höhe operieren können.

Diesen Vorteil nutze ein internationales Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Andrew Lange vom California Institute of Technology und Paolo Bernardis von der University of Rome I "La Sapienza" als es am 29. Dezember 1998 seinen 800 000-Kubikmeter-Ballon auf eine Reise in 37 Kilometern Höhe schickte und ihn am 8. Januar 1999 unweit des Startplatzes wieder einsammelte.

Unterwegs hatte das Teleskop an Bord des Ballons im Rahmen des Projekts "BOOMERANG" (Balloon Observations of Millimetric Extragalactic Radiation and Geophysics) über eine Milliarde Vermessungen der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung durchgeführt. Diese Strahlung wird als ein Überbleibsel aus der Jugendzeit des Universums angesehen. Als der Kosmos sich etwa 300 000 Jahre nach dem Urknall so weit abgekühlt hatte, dass Protonen und Elektronen sich zu Wasserstoffatomen verbinden konnten, trennten sich Photonen von den subatomaren Teilchen und flogen seitdem durch den Raum. Durch die Expansion des Weltalls verschob sich ihr Spektrum immer mehr in den langwelligen Bereich, so dass heute die Energie einer Schwarzkörperstrahlung von nur 2,73 Kelvin entspricht – knapp über dem absoluten Nullpunkt der Temperaturskala.

Die Mikrowellenstrahlung mag schwach sein, aber ihre Verteilung trägt noch immer Informationen über den Zustand des frühen Universums in sich. Denn die Intensität ist nicht einheitlich. Winzige Abweichungen von einem Zehntel Milligrad zeugen von Unregelmäßigkeiten in der damaligen Energiedichte. Um so feine Variationen überhaupt messen zu können, mussten die Wissenschaftler ein entsprechend empfindliches Instrument entwickeln. Ingenieure des Jet Propulsion Laboratory bauten eigens zu diesem Zweck ein Bolometer, das "empfindlich genug ist, die Wärme einer Kaffeemaschine auf dem Mond nachzuweisen", sagt der Arbeitsgruppenleiter James Bock.

Rund drei Prozent des Himmels hat BOOMERANG während seines Fluges bei verschiedenen Frequenzen aufgenommen. Anschließend filterten die Wissenschaftler mit spezieller Software Geräterauschen und Störungen durch innergalaktische Quellen von Mikrowellen heraus und erstellten eine Karte der Hintergrundstrahlung von nie zuvor erreichter Genauigkeit. Schließlich berechneten sie ein Spektrum, das angibt, wie groß die Abweichungen bei verschiedenen Winkeln sind (Nature vom 27. April 2000, vollständiger Text).

Das Maximum bei einem Winkel von einem Grad passte zu der Theorie eines inflationären Universums, das sich zu Anfang extrem schnell ausdehnte und danach langsamer weiterwuchs. Durch diese Phase wurde die Geometrie des Weltalls gedehnt, bis der Raum "flach" war. Der Kosmos wird sich also im Laufe der Zeit immer langsamer ausdehnen und nicht unter der eigenen Gravitation kollabieren. Sein Energiegehalt entspricht anscheinend recht gut einer kritischen Dichte, welche die Balance zwischen einer ungehemmten Expansion und einer Kontraktion wahrt. Allerdings zwingt diese Erkenntnis die Wissenschaftler, auf Einsteins kosmologische Konstante zurückzugreifen – einer Art "dunkler Energie", mit der das Universum angefüllt sein soll.

Einen weiteren ungeklärten Punkt der BOOMERANG-Ergebnisse spricht Max Tegmark von der University of Pennsylvania an: Der Theorie gemäß hätte bei einem Winkel von einem halben Grad noch ein zweites Maximum sein müssen – das fehlt jedoch. "Das ist extrem interessant", meint Tegmark. "Die schelmische Seite in mir hat gehofft, dass dies passiert." Das Schicksal des Universums mag also flach sein – einfach zu verstehen ist es jedoch immer noch nicht.

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