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News: Erholung braucht Zeit - auch in der Ozonschicht

Gehört für uns die Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 20 demnächst zur täglichen Körperpflege? Müssen wir bald wie die Australier und Neuseeländer argwöhnisch auf die Uhr schauen, wenn unsere Kinder draußen spielen? Dürfen wir in ein paar Jahren das Haus nur noch mit Sonnenbrille verlassen? Wenn Hochrechnungen von Klimaforschern zutreffen, könnten diese Szenarien Realität werden. Denn offenbar erholt sich die Ozonschicht über der Arktis deutlich langsamer als erwartet. Noch dazu wird der Ozonabbau dadurch gefördert, dass sich Wolken in der Stratosphäre länger halten als früher - denn dies stört einen Mechanismus, der die Wirkung der aggressiven Chlorradikale bisher mindern konnte.
An das Ozonloch über der Antarktis haben wir uns vielleicht schon fast gewöhnt. So richtig geschockt sind wohl nur noch wenige, wenn wieder einmal gemeldet wird: So groß wie heute war es noch nie. Es ist ja auch weit weg. Aber wenn die Hochrechnungen, die Wissenschaftler am 26. Mai 2000 in Science veröffentlichten, wirklich zutreffen, dann haben auch wir das Problem "Ozonloch" bald vor der eigenen Haustür.

Die Forscher stellten fest, dass sich über der Arktis mehr Stratosphärenwolken gebildet haben als erwartet. Das wirkt sich gleich doppelt negativ aus: Zum einen bieten die Tröpfchen die notwendige Oberfläche, an der die ungefährlichen Chlorformen sich in die aggressiven, das Ozon zerstörende Radikale umwandeln. Zum anderen entziehen sie dem System den Stickstoff, der ansonsten die verheerende Wirkung von Chlor mildert, erklärt Phil DeCola, Leiter des Atmospheric Chemistry Program der NASA. Denn bis jetzt bietet die im arktischen Winter vorhandene Salpetersäure noch Schutz vor den reaktiven Chlorformen, da sie mit dem Chlor reagiert. Doch der Niederschlag aus den Stratosphärenwolken reißt diese Stickstoffverbindung mit sich und das Chlor kann die Ozonschicht viel effizienter angreifen.

Dass sich mehr der ungeliebten Wolken gebildet haben, liegt wahrscheinlich daran, dass die Arktis zunehmend kälter und feuchter wird, was die Bildung der Wolken fördert. Je länger sich diese in der Stratosphäre halten können, desto mehr Ozon wird zersetzt. Bis jetzt halten sich die Wolken über der Antarktis noch doppelt so lang wie am gegenüberliegenden Pol. Aber die Bedingungen dort nähern sich denen des Südpols immer mehr an. Wenn die Temperaturen jetzt noch um weitere drei bis vier Grad Celsius fallen, phrophezeien die Berechnungen schon für das Jahr 2010 in der Arktis Bedingungen, die fast denen der Antarktis entsprechen. Die fallenden Temperaturen wiederum sind eine Folge des Treibhauseffektes: Je mehr sich die Erdoberfläche aufheizt, desto stärker kühlt die obere Atmosphäre ab.

Die aggressiven Chlorverbindungen stammen aus anthropogenen Quellen. Seit dem Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoff-Emissionen durch das Montrealer Protokoll im Jahre 1996 geht die Chlorkonzentration in der oberen Atmosphäre zwar bereits leicht zurück. Doch Wissenschaftler waren davon ausgegangen, dass sich damit die Ozonschicht auch erholen würde. Aber die Daten zeigen, dass dieser Prozess sehr viel komplexer und langsamer abläuft als in den bisherigen Modellrechnungen. Und die Ergebnisse stehen nicht allein – auch in anderen Studien kamen Forscher zu ähnlichen Resultaten. Sie warnen daher vor der Gefahr, dass sich auch über der Nordhalbkugel ein ausgedehntes Ozonloch ausbreiten könnte. Die Folgen für unsere dicht besiedelten Kontinente können wir uns leicht ausmalen.

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