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News: Der gefährliche Reiz des Fremden

Wer weiß, welche Qualitäten ein weiblicher Zahnkarpfen an seinem Partner schätzt - sicher sind es andere als bei uns Menschen. Aber eines haben sie offenbar mit vielen von uns gemeinsam: Einen Hauch von Fremdsein finden sie sehr anziehend. Angehörige einer amerikanischen Art paaren sich darum lieber mit eingeführten Verwandten als den eigenen Artgenossen. Die Folgen davon sind jedoch verheerend. Die Nachkommen verdrängen ihre Eltern nicht nur zunehmend aus deren natürlichen Lebensraum, sondern treiben sie auch an den Rand des Aussterbens, indem sie den Genpool immer weiter 'verwässern'.
Biologen definieren eine Art meist dadurch, dass sich nur Artgenossen miteinander fortpflanzen und fruchtbare Nachkommen haben, während das mit Angehörigen anderer Arten nicht klappt. So steht es in den Lehrbüchern. Doch was passiert, wenn zwei verwandte Arten aufeinander treffen, deren Verbreitungsgebiete sich vorher nicht überschnitten haben? Dann hält sich Mutter Natur nicht unbedingt an die Regeln: Manchmal bekommen auch Eltern unterschiedlicher Arten Nachwuchs, der dann als Hybrid bezeichnet wird.

Sehr häufig lässt sich das beobachten, wenn verwandte Arten in anderen Regionen ausgesetzt werden oder einwandern. So verfolgen Wissenschaftler schon seit Jahren, dass sich in Neu-Mexiko einheimische Zahnkarpfen der Art Cyprinodon pecosensis mit Angehörigen des eingeführten Edelsteinkärpflings (Cyprinodon variegatus) fortpflanzen. Allerdings leben die beiden Arten und ihr gemeinsamer Nachwuchs nicht einfach friedlich nebeneinander. Die Sprösslinge der "Mischehe" verteidigen Brutplätze deutlich erfolgreicher und haben dementsprechend auch mehr Jungtiere als ihre Eltern.

Die Folgen sind fatal. Nach und nach verdrängten die Hybriden die einheimische Art aus ihrem ursprünglichen Lebensraum. In den 80er Jahren eroberten die Neulinge innerhalb von nur fünf Jahren fast den gesamten 500 Kilometer langen Streifen entlang des Pecos in Neu-Mexiko. Cyprinodon pecosensis dagegen fristet sein Dasein heute nur noch in isolierten Quellen und Wasserlachen in der Aue des Flusses.

Worüber die Forscher aber besonders rätselten, war die Geschwindigkeit, mit der sich die Nachkommen ausbreiten konnten. Dafür präsentieren Jonathan Rosenfield und Astrid Kodric-Brown von der University of Alberta nun eine mögliche Erklärung. Wie sie feststellten, paaren sich die Weibchen von Cyprinodon pecosensis nämlich bevorzugt mit Männchen der fremden Art anstatt mit ihren Artgenossen (New Scientist vom 17. Juni 2000). Diese so genannte sexuelle Selektion spielt bei der Entstehung neuer Arten häufig eine wichtige Rolle – hier schaufeln sich die Beteiligten damit im Prinzip ihr eigenes Grab.

"Das ist wie eine umgekehrte Artbildung", meint Rosenfield. Und das Problem ist kein Einzelfall. Immerhin etwa 40 Prozent der Süßwasserfischarten sind davon bedroht, dass sie sich mit eingeführten Tieren verwandter Arten paaren und sich so die Genpools vermischen. Ist der Nachwuchs wie bei Cyprinodon pecosensis erfolgreicher als die Eltern, wird deren genetisches Material einfach im Laufe der Zeit "aufgesogen" – das heißt, sie sterben aus.

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