Direkt zum Inhalt

News: Aids Spezial: Demographische Veränderungen erwartet

Die ständig zunehmende Verbreitung des human immun deficiency virus (HIV) in der weltweit am stärksten betroffenen Region - Zentral und Südafrika - führt nach Jahren zurückgehender Todeszahlen wieder dazu, dass die Mortalität unter Jugendlichen drastisch ansteigt: Gut ein Drittel der heute 15-Jährigen wird frühzeitig an Aids sterben. Das hat dramatische Konsequenzen für die Altersstruktur und die soziale Stabilität dieser Länder.
Weltweit ist Afrika, und dort vor allem die südlich der Sahara gelegenen Gebiete, besonders stark von dem Aids auslösenden Virus betroffen. Während sich in den Industrienationen und einigen Schwellenländern die Infiziertenzahlen stabilisieren, sind sie in diesen Gebieten in den letzten Jahren drastisch angestiegen: In 16 Ländern Zentral- und Südafrikas leben mittlerweile zehn Prozent oder mehr der 15- bis 49-Jährigen mit dem tödlichen Virus.

So hoch diese Zahlen auch erscheinen, verharmlosen sie die demographischen Auswirkungen von Aids doch enorm. Denn die Wahrscheinlichkeit, an der Immunschwächekrankheit zu sterben, ist sehr viel höher als die Verbreitungszahlen vermuten lassen. Vorsichtige Prognosen sagen voraus, dass in Staaten, in denen etwa 15 Prozent der Erwachsenen momentan infiziert sind, gut ein Drittel der heute 15-Jährigen an Aids sterben wird. Dies trifft selbst dann zu, wenn die Länder es schaffen sollten, durch wirksame Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko zu halbieren.

In Ländern wie Südafrika oder Simbabwe, in denen nahezu ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung das Virus tragen, wird es vermutlich sogar der Hälfte der heute 15-Jährigen das Leben kosten. Und in Botswana, wo mittlerweile bereits jeder dritte Erwachsene infiziert ist, werden voraussichtlich mehr als zwei Drittel der Jugendlichen im Laufe ihres Lebens an Aids sterben. Diese in dem Bericht des Joint United Nations Programme on HIV/AIDS veröffentlichten Daten werden erhebliche Auswirkungen auf die Geburtenrate, Kindersterblichkeit und allgemeine Lebenserwartung sowie das wirtschaftliche Wachstum in vielen Ländern haben.

Auf lange Sicht bedrohen die durch HIV verursachten demographischen Veränderungen sogar die soziale Stabilität der am stärksten betroffenen Länder. Denn in den Entwicklungsländern, in denen sich die Infektion hauptsächlich durch ungeschützten heterosexuellen Verkehr verbreitet, steckt sich der größte Teil der Bevölkerung im Alter von 20 bis 30 mit dem Immunschwächevirus an, dem er dann durchschnittlich zehn Jahre später zum Opfer fällt. Der daraus resultierende Verlust an produktiven Arbeitskräften und dem proportional zunehmenden Anteil an alten Bürgern, die eventuell Hilfe vom Staat benötigen, könnte die soziale Struktur und Stabilität dieser Länder immens erschüttern.

Die Epidemie untergräbt auch in einigen Bereichen Afrikas die grundlegendste Ausbildung: Der Kampf gegen die Krankheit frisst die für Schulen gedachten Gelder auf und treibt junge Menschen somit frühzeitig in ein Arbeitsleben. Außerdem wird der Lehrkörper durch die Immunschwächekrankheit stark dezimiert: So starben in Sambia in den ersten zehn Monaten des Jahres 1998 knapp 1300 Lehrer an Aids – was etwa zwei Dritteln der jährlich ausgebildeten Lehrkräfte entspricht. Auch die Zahl der durch die Infektionskrankheit verwaisten Kinder ist enorm: Seit Ausbruch der Epidemie verloren 13,2 Millionen Kinder weltweit einen oder beide Elternteile durh die Immunschwächekrankheit.

Auch die Gesundheitsdienste in den betroffenen Ländern stellt die zunehmende Verbreitung des Immunschwächevirus vor erhebliche Schwierigkeiten. In Thailand oder Burundi beispielsweise belegen HIV-positive Patienten in großen Städten zwischen 40 und 70 Prozent der Krankenhausbetten. Gleichzeitig verliert der medizinische Sektor eine Menge ausgebildeter Kräfte durch die Krankheit. In Sambia stieg in den letzten zehn Jahren die Zahl der Todesfälle beim Krankenhauspersonal, die hauptsächlich auf Aids zurückgingen, um das 13fache.

"Durch Aids verschlimmert sich die Armut in diesen Ländern, und gleichzeitig steigt die Notwendigkeit, die Verbreitung der Krankheit und ihre demographischen Folgen einzudämmen, ständig", sagt Piot. "Afrikanische Staaten zahlen zur Zeit für die Tilgung ihrer Schulden das Vierfache von dem, was sie für Ausbildung oder im Gesundheitsbereich ausgeben. Wenn die internationale Gemeinschaft einige der Schulden erlassen würde, könnten diese Länder die Gelder für die Bekämpfung der Armut und für Schutzmaßnahmen vor Aids verwenden. Wenn nicht, wird die Armut die Epidemie nur noch schüren."

Siehe auch

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Quellen

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.