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News: Die Heimtücke unbekannter Bewohner

Bakterien scheinen an einer Reihe von Krankheiten beteiligt zu sein, bei denen man es vorher nicht vermutet hat. Ziemlich sicher sind sich die Ärzte beim Magengeschwür und im Falle des Herzinfarkts hegen sie den schweren Verdacht. Nun gibt es auch für autistische Störungen Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang mit einer Besiedlung innerer Organe durch bestimmte Bakterien. Wurden die betroffenen Kinder mit Antibiotika behandelt, verbesserten sich ihr Sozialverhalten und ihre kognitiven Fähigkeiten vorübergehend. Allerdings fielen die Patienten nach kurzer Zeit wieder auf den Status vor der Medikamentengabe zurück.
Autismus ist keine einheitliche Krankheit, sondern umfasst außer den kindlichen Autismus auch das Rett- und das Asperger-Syndrom sowie desintegrative Störungen. Die Symptome aber – wie mangelndes Sozialverhalten, eingeschränkte Kommunikationsfähigkeit und stereotype Handlungen – ähneln sich. Bisher sind die Ursachen für diese Krankheit noch nicht sicher bekannt, auch wenn ein genetischer Einfluß genauso wie Nebenwirkungen von Medikamenten während der frühen Schwangerschaft diskutiert wird. Nun gibt es einen neuen möglichen Ansatzpunkt für eine medikamentöse Behandlung und die Vorbeugung der Erkrankung.

Wenn bestimmte Bakterien die inneren menschlichen Organe besiedeln, produzieren sie unter Umständen für den Wirtsorganismus toxische Stoffe. Bei einigen Krankheiten – wie dem Herzinfarkt – vermuten Mediziner schon seit längerem einen Zusammenhang zwischen Bakterien und der Erkrankung. Auf eine mögliche Verbindung von Bakterien mit Autismus bei Kindern wurde Richard Sandler vom Rush-Presbyterian-St.Luke´s Medical Center in Chicago durch die Mutter eines Patienten aufmerksam. Der Sohn von Ellen Bolte entwickelte im Alter von 19 Monaten Autismus, nachdem die Ärzte ihn monatelang mit einem Breitband-Antibiotikum gegen seine Mittelohrentzündung behandelten. Ist die Flora der inneren Organe durch die Therapie mit diesen umfassend wirkenden Antibiotika schon geschädigt, dann wachsen bestimmte Bakterien, die nervenschädigende Gifte produzieren, in dieser Umgebung besser, spekulierte Ellen Bolte.

Gemeinsam mit Sydney Finegold von der Los Angeles Medical School der University of California ging Sandler der Beobachtung nach. Sie behandelten elf autistische Kinder mit dem Antibiotikum Vancomycin. Dabei verbesserten sich die kognitiven Fähigkeiten, das Sozialverhalten und das Verhalten bei neun der Patienten deutlich. Allerdings war die Verbesserung nur vorübergehend, und verschlechterte sich nach Beendigung der Behandlung meistens auf den Stand vor Therapiebeginn. Dennoch scheinen bei einigen, aber eben nicht bei allen, autistischen Kindern bestimmte Bakterien an der Erkrankung beteiligt zu sein (Journal of Child Neurology vom Juli 2000).

"Der nächste Schritt, außer der Wiederholung der klinischen Studien, wird der Weg ins Labor sein, um herauszufinden, warum diese Effekte beobachtet werden konnten", sagte Sandler. Außerdem wollen die Wissenschaftler herausfinden, ob andere Medikamente bessere Wirkungen erzielen könnten, wie lange die Therapie fortgesetzt werden sollte und wie sie den Rückschritt der Verbesserung verhindern können.

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