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News: Die Blitzgeburt unserer Planeten

Dass sich die Erde und die übrigen Planeten unseres Sonnensystems aus Staubpartikeln bildeten, die aus einer rotierenden Scheibe sich verdichtender Gase kondensierten, klingt schon etwas abstrakt. Doch Wissenschaftler können nun die kaum vorstellbare 'Geburtsstunde' unserer Planeten noch genauer konkretisieren. Denn viel schneller als Berechnungen und Simulationen bisher ergaben, backten aus den winzigen Partikeln größere Körper zusammen - die Erde war geboren. Zu diesem Schluss kommen Astrophysiker, nachdem sie die Vorgänge zu einem frühen Zeitpunkt der Planetenentstehung an Bord der Raumfähre Discovery in einer zwei Liter großen Versuchskammer simuliert hatten.
Vor mehr als viereinhalb Milliarden Jahren, bevor unser heutiges Sonnensystem entstand, war die Sonne noch der relativ kühle Kern einer rotierenden Scheibe aus sich allmählich verdichtenden Gasen. Am Rand, im so genannten solaren Nebel, kondensierten winzige Staubkörnchen aus, die durchs All schwebten. Angetrieben wurden sie anfangs lediglich durch die wärmebedingte Bewegung ihrer Moleküle – die so genannte Brownsche Molekularbewegung. Trafen die Staubkörnchen aufeinander, so verklumpten sie zu "Planetenkeimen". Erst allmählich entwickelten sie sich zu größeren Materiebrocken mit eigenen Gravitationskräften und fusionierten schließlich Jahrmillionen später zu Planeten. Nach rund zehn Millionen Jahren hatte sich unsere Sonne im Zentrum dieser Planetenscheibe dann so weit verdichtet, dass die Startenergie für den solaren Reaktor ausreichte, der in einer Kernfusion Wasserstoffatome zu Helium verschmilzt. Dabei entstand eine Druckwelle und intensive kurzwellige UV-Strahlung, welche die umgebende Gasscheibe samt aller kleinen Partikel mit weniger als einem Kilometer Durchmesser aus dem solaren Nebel ins Weltall schleuderte. Nur aus den relativ massiven Brocken, die sich anschließend noch in der Umgebung der Sonne befanden, formten sich die künftigen Planeten und Monde des Sonnensystems. Bislang konnten sich die Wissenschaftler jedoch nicht erklären, wie die für galaktische Verhältnisse sehr kurze Zeit ausreichte, um aus den frei schwebenden Staubpartikeln so große Körper wachsen zu lassen.

An Bord der Weltraumfähre Discovery simulierten deshalb Jürgen Blum von der Friedrich-Schiller-Universität Jena und seine Mitarbeiter in einer nur zwei Liter großen Versuchskammer einer 90 Kilogramm schweren Apparatur die Vorgänge in der frühen Phase des Sonnensystems. Mit Hilfe von zwei Mikroskopkameras filmten sie dabei die Abläufe in der Reaktionskammer. Die Wissenschaftler fanden so heraus, dass die Größe der Partikel-Körper doch schneller zunimmt, als bisher in der Theorie angenommen. Denn Forscher vermuteten bisher aus Berechnungen und einer Simulation auf der Erde, dass zu Beginn des Wachstumsprozesses die Masse der Partikel gegenüber ihrer Größe um die Potenz 1,8 zunimmt. "An Bord der Discovery, also unter Schwerelosigkeit, konnten wir aber nachvollziehen, dass diese Potenz nur den Wert 1,3 beträgt, damit also das Volumen der zusammenklumpenden Partikel wesentlich schneller anwächst", erläutert Blum die wichtigste Erkenntnis aus dem Shuttle-Flug. "Zudem handelt es sich nicht um einen zeitlich linearen Prozess, sondern er beschleunigt sich sogar mit der Zeit exponentiell", fügt er hinzu.

Offensichtlich spielt dabei die Eigenrotation der Partikel eine bedeutsamere Rolle, als bislang angenommen. "Es entstehen aus den Staubkörnchen kettenförmige Gebilde, die ihrerseits wiederum andere frei schwebende Partikel einfangen", erklärt Blum. "Bei unserem Experiment verlief die "planetare Geburtsminute" allerdings rund eine Million mal schneller, weil wir eine wesentlich höhere Partikelkonzentration in das dünne Gas der Apparatur eingebracht haben", schmunzelt Astrophysiker Blum. "Sonst wäre die Discovery nicht lang genug unterwegs gewesen, um einen hinreichend langen Wachstumsprozess unserer Staubagglomerate abzuwarten."

In vier oder fünf Jahren hoffen die Wissenschaftler nun an Bord der Internationalen Raumstation ISS, einen späteren Zeitpunkt in der Planetenentstehung zu simulieren.

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