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News: Gefährliche Joints?

Wenn es um Drogen geht, erhitzen sich die Gemüter. Das Repertoire der Meinungen reicht von der Forderung einer völligen Legalisierung der Rauschmittel bis hin zu deren striktem Verbot. Eine klassische Streitfrage dabei ist, ob eine Droge psychisch oder physisch abhängig macht. Bei Heroin oder Kokain ist die Antwort eindeutig, und auch die Suchtgefahr bei Alkohol oder Nikotin wird wohl niemand mehr abstreiten. Doch wie steht es eigentlich mit Tetrahydrocannabinol oder THC, der rauschauslösenden Verbindung in Marihuana und Haschisch? Totenkopfäffchen können davon offenbar süchtig werden - was früheren Versuchsergebnissen widerspricht.
Ob eine Substanz suchtgefährdend ist, prüfen Wissenschaftler häufig an Affen oder Ratten. Die Tiere lernen, wie sie sich selbst eine Dosis verbreichen können – und wenn sie dies sodann freiwillig tun, gilt der Stoff als Abhängigkeit erzeugend. Fast alle psychoaktiven Verbindungen, die der Mensch nutzt – von Nikotin bis Heroin – lösen in Versuchen ein solches Verhalten aus. Auf einige Rauschmittel jedoch reagierten die Tiere nicht, und dazu gehörte bisher auch THC. Da es somit als relativ ungefährlich gilt, ist es inzwischen in einigen Ländern nicht mehr verboten, geringe Mengen für den Eigenbedarf zu besitzen.

Steven R. Goldberg und seine Mitarbeiter vom National Institute on Drug Abuse jedoch schlagen nun Alarm. Sie berichten von einer Studie an Totenkopfäffchen (Saimiri sciureus), in denen die Tiere doch Symptome einer Abhängigkeit zeigten (Nature Neuroscience vom November 2000). Die Wissenschaftler hatten ihre Versuchsaffen zunächst mit einer Kokainlösung darin geschult, sich mit Hilfe eines Hebels eine neue Dosis intravenös zu spritzen. Als sie das Rauschmittel durch eine Salzlösung ersetzten, ließ das Interesse der Tiere schnell nach. Gaben die Forscher allerdings THC in die Kolben, konnten die Affen nicht mehr widerstehen: Wiederholt verabreichten sie sich bis zu 30 Injektionen innerhalb von einer Stunde. Dabei entsprach die Konzentration der THC-Lösung in etwa der Menge, die ein Mensch mit einer Marihuana-Zigarette aufnimmt.

Im nächsten Schritt blockierten die Wissenschaftler im Gehirn der Tiere Cannabinoid-Rezeptoren, von denen vermutet wird, dass sie an den neurochemischen Wirkungen des THC beteiligt sind. Innerhalb von wenigen Versuchen reduzierten die Affen die Zahl der selbstgesetzten Spritzen drastisch. Sie stieg jedoch auch unmittelbar wieder an, als das Team den Hemmstoff absetzte.

Die Ergebnisse sind für Goldberg eindeutig: Auch THC kann süchtig machen. Warum frühere Untersuchungen zu entgegengesetzten Resultaten kamen, erklärt er mit anderen Versuchsbedingungen. So wären die THC-Konzentrationen in älteren Studien meist sehr viel höher gewesen – so hoch, dass die Tiere schlicht und einfach zu berauscht waren, um den Zusammenhang zwischen dem Druck auf einen Hebel und der Wirkung noch zu erkennen. Auch habe man früher THC nur in Suspensionen spritzen können, da die Verbindung schlecht wasserlöslich ist. In der neuen Studie jedoch verwendeten Goldberg und seine Kollegen eine klare Lösung, die schnell und direkt im Gehirn wirkte.

Ist der klassische Joint also doch gefährlicher als gedacht? Lester Grimspoon von der Harvard Medical School ist skeptisch. "Es widerspricht völlig meiner klinischen Erfahrung. Leute, die Marihuana aufgeben, müssen darum nicht hart kämpfen."

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