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News: Den hab' ich doch schon mal gesehen

Die meisten Menschen können sich Gesichter gut einprägen und wieder erkennen. Bislang war jedoch umstritten, welche Prozesse im menschlichen Gehirn dabei ablaufen. Nun berichten Wissenschaftler, dass unser Gehirn vor allem den Abstand einzelner Gesichtsmerkmale speichert. Die Ergebnisse sind auch für Software-Entwickler interessant, da immer komplexere Programme gefordert sind, die auch auf Gesichtererkennung basieren.
Im Alltag dient uns das Gesicht als Hauptinformationsquelle, um etwas über unser Gegenüber zu erfahren, denn es vermittelt neben Identität auch Informationen zu Alter und Geschlecht des anderen. Innerhalb von Sekunden urteilen wir dann, ob uns jemand attraktiv, sympathisch oder intelligent erscheint, und schließen häufig von den Gesichtszügen auf die Seelenverfassung.

Schon Neugeborene reagieren auf unterschiedliche Gesichter. Im Laufe des Lebens identifiziert man dann unzählige Personen allein anhand ihres Gesichtes. Jedoch gibt es Einschränkungen, wie Helmut Leder vom Institut für Allgemeine Psychologie der Freien Universität Berlin herausfand: So haben Mitteleuropäer bisweilen Schwierigkeiten, sich die Gesichtszüge beispielsweise von Chinesen zu merken, da sie in ihrer Vorstellung alle "ähnlich" oder gar "gleich" aussehen. Auch das Auf-den-Kopf-Stellen eines Bildes erschwert die Wiedererkennung erheblich, wie man mit einem umgedrehtem Foto schnell selbst prüfen kann.

Aufgrund dieser Tatsache stellt sich die Frage, woran der Mensch Gesichter identifiziert und wieder erkennt. Bislang ist in der Forschung ungeklärt, ob das menschliche Gehirn ein Gesicht als ganzes speichert – so genannte holistische Verarbeitung – oder lediglich besondere konfigurale Informationen. Unter Konfigurationen versteht man hier eine Klasse von Informationen, die durch die räumliche Ordnung der Merkmale entsteht, zum Beispiel den Augenabstand. Leder hat untersucht, in welchem Maße "holistische" und "konfigurale2 Informationen bei der Wiedererkennung von Gesichtern voneinander abhängen und einander bedingen.

Die Probanden betrachteten zunächst eine Reihe von Gesichtern, die sich nur durch die Abstände bestimmter Gesichtsmerkmale zueinander, zum Beispiel Augen, Nase und Mund, oder aber durch andere Merkmale wie der Haarfarbe unterschieden. Dann wurde getestet, inwieweit die Probanden diese Gesichter aufrecht und auf dem Kopf stehend wieder erkannten und ob zur Wiedererkennung die jeweiligen Merkmale auch isoliert ausreichten.

Die Untersuchungen ergaben, dass Gesichter, die sich beispielsweise durch die Haarfarbe deutlich unterscheiden, auf dem Kopf stehend fast ebenso gut wieder erkennbar sind wie Gesichter, die nicht auf dem Kopf stehen. Sehr viel schlechter erkennt das menschliche Gehirn hingegen auf dem Kopf stehende Gesichter wieder, die sich nur durch die Abstände zum Beispiel der Augen oder des Kinns zum Mund unterscheiden. Außerdem wurden auch die isoliert dargebotenen Ausschnitte überraschend gut wieder erkannt. Da dieses Ergebnis nicht mit der holistischen Theorie in Einklang zu bringen ist, schlussfolgert Leder: Wesentliche Kriterien für die Wiedererkennung sind die Abstände einzelner Gesichtsmerkmale (außer wenn die Gesichter auf dem Kopf stehen), was dafür spricht, dass das Gehirn für die Gesichtserkennung vor allem die Konfigurationen nutzt.

"Wenn es uns gelingt, die Gründe für das Erkennen von Gesichtern noch weiter zu untersuchen, könnte dies entscheidenden Einfluss auf computerbasierte Hilfssysteme wie die so genannten artifical agents haben", meint Leder. In Zukunft werde vor allem die Unterhaltungsindustrie Computerprogramme entwickeln, die auf das Gesicht des Benutzers reagieren. Auch Programme für Autofahrer oder Piloten kann Leder sich vorstellen, die etwa speziell auf Gesichtsveränderungen in Gefahrensituationen reagieren: "Je schneller ein System auf den Gesichtsausdruck des Nutzers reagiert, um so schneller kann es beispielsweise in Krisen Hilfe anbieten".

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