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News: Spieglein, Spieglein an der Wand

Von der sprichwörtlichen Klugheit der Elstern überzeugten sich Bochumer Biopsychologen. Die Forscher wurden für acht kleine Elstern zu Zieheltern. Ihr Rund-um-die-Uhr-Einsatz für die Brut wurde durch außergewöhnliche Ergebnisse belohnt: Die schlauen Vögel können nicht nur schon sehr früh gezielt nach Gegenständen suchen, die man vor ihnen versteckt - was außer ihnen nur Menschen, Menschenaffen und Hunde vermögen - sie erkennen sich auch selbst im Spiegel.
Ihren Ruf als lernfähiger, schlauer und diebischer Vogel hat die Elster zu recht: Ihr Gehirn zählt zu den höchstentwickelten unter den Singvögeln. Eine vielversprechende Voraussetzung für die Experimente der Biopsychologen. Sie brauchten nur vor die Tür ihres Labors zu gehen, um Elsternnester zu finden.

Mit behördlicher Genehmigung wählten Helmut Prior und seine Kollegen von der Ruhr-Universität Bochum acht Junge aus zwei Nestern aus und zogen sie selbst groß – eine anstrengende Angelegenheit, denn acht kleine Vögel haben immer Hunger. Schon in den Kinderschuhen bewiesen die Kleinen ihre besonderen Fähigkeiten: Schneller als andere Vögel besaßen sie die sogenannte Objektpermanenz, das heißt, sie suchten gezielt Gegenstände, die man vor ihnen versteckt hatte. Selbst wenn die Wissenschaftler den Gegenstand von einem Versteck in ein anderes beförderten, fanden die Vögel das Gesuchte. Diese Fähigkeit brauchen die Elstern dringend zum Überleben, denn sie horten Futter für den Winter in Verstecken und müssen es dort wiederfinden. Nach zehn Lebenswochen, wenn sie ein eigenständiges Leben beginnen, sind sie Meister darin.

Diese Leistungen der Elstern, und ihre Fähigkeit, Artgenossen individuell zu erkennen, brachte die Forscher auf die Idee, dass Elstern möglicherweise sogar eine Vorstellung von sich selbst haben könnten. Das herauszufinden ist nicht einfach, denn die Kommunikation mit Tieren ist sehr eingeschränkt. Mit Hilfe ausgeklügelter Experimente gelang es jedoch, das Verhältnis der Vögel zu ihrem Spiegelbild näher zu bestimmen. Anders als zum Beispiel Wellensittiche, die auch nach Jahren einen Spiegel in ihrem Käfig noch als Artgenossen behandeln, zeigten die Elstern ein eher neugieriges, erkundendes Verhalten. Sie gingen vor dem Spiegel auf und ab, präsentierten sich davor mit Gegenständen und wagten einen Blick hinter das Bild. Gegenstände, die nur im Spiegel für die Vögel sichtbar waren, erkannten sie gut. Spiegelte sich eine Schachtel mit Futter, gingen sie hin. War die Schachtel im Spiegel leer, ignorierten die Elstern sie zumeist.

Aufschlussreich war schließlich auch der "Markierungstest", bei dem die Wissenschaftler die Elstern mit einem roten beziehungsweise zum Vergleich mit einem, auf schwarzen Federn unsichtbaren, schwarzen Fleck unter dem Schnabel markierten. Die Vögel konnten den Fleck nur im Spiegel sehen. Die rot markierten Elstern begannen sich nach einem Blick in den Spiegel häufig zu putzen. Zeigte man ihnen zur Kontrolle Bilder, ausgestopfte oder lebende markierte oder nicht markierte Elstern hinter einer Glasscheibe anstatt des Spiegelbildes, reagierten sie nicht.

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