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Astrophysik: Im Sog des Schwarzen Lochs

Mit der Schwerkraft von vier Millionen Sonnen zerrt ein kompaktes Objekt im Zentrum unserer Milchstraße eine Gaswolke zu sich heran. Was genau dabei in den nächsten Monaten und Jahren geschieht, werden die Astronomen mit Spannung verfolgen. Denn erstmals können sie live der Fütterung eines Schwarzen Lochs zusehen. Welche Erkenntnisse sich die Wissenschaftler davon erwarten, lesen Sie in der August-Ausgabe der Zeitschrift "Sterne und Weltraum".
Gaswolke bei der Annäherung an das Zentrum unseres Milchstraßensystems

Direkt lassen sich Schwarze Löcher nicht beobachten, denn sie sind so schwer, dass nicht einmal Licht ihr Schwerefeld verlassen kann. Dennoch bieten sich den Astronomen verschiedene Möglichkeiten, sie aufzuspüren: Fällt etwa Materie in ein Schwarzes Loch, werden große Mengen an Energie freigesetzt und in hochenergetische Strahlung umgewandelt, die sich mit Teleskopen einfangen lässt. Auch kann es sich lohnen, die Bewegungen der Sterne in einem auffälligen Himmelsbereich über mehrere Jahre hinweg zu beobachten. Aus den Umlaufbahnen können Astrophysiker dann auf die Größe der zentralen Masse schließen, welche die Sterne umkreisen. Mit dieser Methode gelang es unter anderem der Arbeitsgruppe um Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE), das extrem massereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße nachzuweisen.

Bei ihren Beobachtungen dazu machten die Forscher im Jahr 2011 eine unerwartete Entdeckung: Sie stießen auf eine Gaswolke, deren Bahn in den nächsten Monaten gefährlich nahe an dem Schwarzen Loch vorbeiführen wird. In ihrem Artikel in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Sterne und Weltraum“ berichten Stefan Gillessen und Frank Eisenhauer vom MPE darüber, wie es zu diesem Fund kam und diskutieren die Frage nach der Herkunft der Wolke und ihrer Zukunft.

Wenn sich die Materiewolke demnächst dem galaktischen Zentrum weiter annähert, wird sie durch die dort wirkenden Gezeitenkräfte noch mehr als bisher verformt und schließlich zerrissen werden, so die Astrophysiker. Sie könnte aber auch stark abgebremst werden, wenn sie mit der dünnen Materiehülle, die das Schwarze Loch umgibt, in Wechselwirkung tritt. Dann ist nicht auszuschließen, dass Teile von ihr ins Schwarzen Loch stürzen.

Sterne und Weltraum 8/2013
Was mit der Gaswolke genau passieren wird, ist noch ungewiss. Eines jedoch steht fest: Weltweit werden Astronomen in den kommenden Monaten neugierig ihre Teleskope auf das Zentrum der Milchstraße richten. Denn keiner von ihnen möchte sich diese einmalige Gelegenheit entgehen lassen, die Vorgänge dort live zu verfolgen und – hoffentlich – neue Erkenntnisse über die physikalischen Vorgänge und Gegebenheiten in nächster Nähe eines Schwarzen Lochs zu gewinnen.

Zusatzinformation: Meist ist das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße, auch Sgr A* (sprich: Sagittarius A-Stern) genannt, recht ruhig und unspektakulär. Denn es besitzt keine so genannte Akkretionsscheibe, aus der laufend Materie in es hineinstürzen könnte und seine unmittelbare Umgebung zum Leuchten bringen würde, wie es etwa bei extrem massereichen Schwarzen Löchern in den Zentren vieler ferner Galaxien der Fall ist. Dafür ist Sgr A* von einer dünnen, heißen Atmosphäre umgeben, deren Dichte nach innen hin zunimmt. Der Materiefluss aus dieser Hülle auf das Schwarze Loch ist jedoch relativ gering.

Interessante Links:
In diesem Video berichtet der Astrophysiker Stefan Gillessen über die Entdeckung der Materiewolke, die vom Schwarzen Loch im Zentrum der Galaxis verzerrt und demnächst wohl zerrissen wird: https://www.spektrum.de/alias/videos-aus-der-wissenschaft/kosmische-raubtierfuetterung-live/1147601

Interview mit Reinhard Genzel über seine langjährigen Beobachtungen des Zentrums der Milchstraße: http://www.sterne-und-weltraum.de/alias/dachzeile/im-herzen-der-milchstrasse/1151209

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Sterne und Weltraum, August 2013
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