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Ausstellung: Farben erleben

Spektrale 2011
Schon bei der Ankunft an der Mainzer Rheingoldhalle fühlt man sich auf den Besuch der Ausstellung Spektrale eingestimmt – regenbogenfarbene Streifen zieren die Glasfassade der Halle und fordern geradezu zum Eintreten auf. Die interaktive Ausstellung möchte Kunst und Wissenschaft einander gegenüberstellen, um auch dem Laien die Ästhetik und Faszination der Wissenschaft deutlich zu machen. Bereits die Aufteilung der Räume erinnert an eine Tafel zur Farbenlehre: außen die Farben blau, rot, gelb und grün, in der Mitte die beiden Nichtfarben schwarz und weiß. Die Räume sind jedoch nicht tatsächlich in diesen Farbtönen gehalten – sie sind vielmehr der kulturellen Symbolik und Bedeutung der jeweiligen Farbe gewidmet.

Der Rundgang beginnt mit dem Weiß, das in seiner klassischen Bedeutung mit Licht assoziiert wird. Los geht es mit Malereien diverser Pointillisten, deren Bilder aus vielen kleinen Farbpunkten bestehen, die sich erst im Auge des Betrachters zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Ähnlich funktionierte die frühe autochrome Fotografie, bei der aus kleinen Farbkörnchen ein Bild entstand. Auch die heutige Digitalfotografie beruht letztlich noch auf demselben Prinzip – hier werden einzelne Pixel zu einem Ganzen zusammengefügt.

Beeindruckend sind die Werke von Hans Peter Reuter, der seit zwanzig Jahren mit einer einzigen Farbe, dem Ultramarinblau, arbeitet. Damit gestaltet er Bilder, die dank geschickter Rasterung wie dreidimensionale Formen wirken. Faszinierend ist vor allem, dass der Künstler bei der Gestaltung die verschiedenen Nuancen der Farbe nicht unterscheiden kann, weil sie im nassen Zustand allesamt gleich aussehen. Er muss sich ganz auf seine Erfahrung verlassen.

Blaue Illusionen | Die Werke von Hans Peter Reuter wirken wie dreidimensionale Strukturen; erst bei näherem Betrachten erkennt man, dass es sich um zweidimensionale Bilder handelt. Durch den geschickten Einsatz von Farbnuancen und Rastermotiven kommt die optische Täuschung zustande.
Weiter geht es durch einen LED-Vorhang in die Finsternis – Schwarz – und man landet zunächst in der Tiefsee. Dieser Ort ist allerdings gar nicht so dunkel, wie wir ihn uns oft vorstellen, denn gespenstisch leuchtende Schwämme erhellen die Umgebung. Die faszinierenden Lebewesen verfügen über ein ausgeklügeltes Reizleitungssystem; elektromagnetisch codierte Informationen werden über glasfaserähnliche Strukturen transportiert, und man kann sie als kurze Lichtblitze wahrnehmen. Die Mainzer Uniklinik hat viele der Exponate im Raum geliefert und informiert in einem Kurzfilm darüber, warum die biotechnologische Forschung an den Schwämmen interessiert ist: Sie will von ihnen mehr darüber lernen, wie sich neue Materialien für medizinische Implantate oder für mikroelektronische Bauteile herstellen lassen. An einem Mikroskop können Besucher die Proben sogar selbst unter die Lupe nehmen.

Leuchtende Tentakel | Inspiration für die tentakelartigen Objekte hat sich Künstlerin Katja Theinkom bei den Tiefseelebewesen geholt. Ganz so flutschig, wie sie aussehen, sind diese Ausstellungsstücke aber gar nicht.
Zwischen den biologischen Ausstellungsstücken fluoreszieren tentakelartige Objekte der Künstlerin Katja Theinkom. Glibberig und lebendig sehen die Kunstgegenstände aus, doch wenn man hinfasst – und das darf man bei dieser Ausstellung bei den meisten Exponaten –, so stellt man fest, dass sie doch gar nicht so flutschig, sondern eher hart sind.

Ein weiteres Highlight der Finsternis ist der "Interactive Color"-Raum. Dieses Projekt der Fachhochschule Mainz verbindet die Farbenlehre mit richtigem Partygefühl: Der Besucher kann Farb-DJ spielen, wofür er die runden Pappdeckel, die an Bierdeckel erinnern, nur auf einer Glasplatte hin und her bewegen muss. Auf der Unterseite der Deckel sind Codes aufgedruckt, die für jeweils eine Farbe stehen. Eine Kamera unter der Glasscheibe nimmt die Codes auf, ein Rechner übersetzt die Information und überträgt das passende Signal an 1600 LED-Lämpchen an der Decke. Mischfarben entstehen nach dem Prinzip der additiven Farblehre, indem man mehrere Deckel so nebeneinander legt, dass sie sich berühren. Dann leuchtet die Lampe magenta, wenn man einen roten und einen blauen Deckel zusammenlegt. Rot, blau und grün ergeben weißes Licht. Je schneller man die Deckel bewegt, umso beeindruckender ist das Spektakel – ideal also, um mit anderen Besuchern zusammen zu "spielen"!

Interactive Colors | Bei diesem Projekt der Fachhochschule Mainz können die Besucher Farb-DJ spielen: Runde Pappdeckeln mit einem Code auf der Unterseite werden dazu auf einer Glasplatte hin und her bewegt. Eine Kamera zeichnet die Bewegungen auf und ein Rechner übersetzt und überträgt die Information an die Lämpchen.
Die Farbe Blau steht für Erkenntnis. IMAGINARY heißt das erstaunliche Projekt (aus einer Ausstellung des Mathematischen Instituts Oberwolfach, Spektrum der Wissenschaft berichtete online: Mineralien und Mathematik verbandelt), das uns die Schönheit der Mathematik erkennen lassen soll und ebenfalls zum Mitmachen einlädt. Auf einem interaktiven Smartboard kann der Besucher die kompliziertesten algebraischen Formeln visualisieren. Durch Ein- und Auszoomen sowie Drehen und Verkippen werden die komplexen Formen richtig anschaulich. Auch Architekturstudenten ließen sich von diesem Programm inspirieren; ihre innovativen Gebäudepläne kann man als miniaturisierte 3D-Modelle gleich nebenan bestaunen.

Durch ein begehbares Modell des menschlichen Auges läuft man weiter in Richtung "Natur" (Grün). Im Vergleich zu den vorigen Räumen fällt dieser etwas ab, weil die Objekte vergleichsweise unspektakulär sind; darum ist er aber nicht weniger informativ. An einer Wand sind Fotografien von Erdbohrkernen der letzten 120 000 Jahre aufgereiht. Anhand solcher Bodenproben können Forscher die Entwicklung des Klimas und der Vegetation untersuchen. Besonders anschaulich wird das Ganze durch die Zuordnung kulturgeschichtlicher Daten zu den verschiedenen Erdzeitaltern.

Die gelungenste Gegenüberstellung von Kunst und Wissenschaft erlaubt in diesem Bereich der Diamant: Nachbildungen der bekanntesten Diamante (zu denen etwa der Florentiner oder der Dresdner Grüne Diamant gehören) auf der einen Seite – und ein Exponat aus Diamantkappenlampen auf der anderen. Mit diesem Werk möchte der Künstler Marcel Bühler kritisch auf das "Glücksspiel" auf dem Kunstmarkt aufmerksam machen.

Biegt man um die Ecke, stößt man auf den gelb-roten Raum. Dieser repräsentiert die Sonne und steht gleichzeitig für das Göttliche und den Geist. Hier findet man spektakuläre NASA-Aufnahmen der Sonne sowie von der Sonne inspirierte Arbeiten verschiedener Künstler. Wer will, kann sich kurz in der "Sonnenlounge" ausruhen und den Raum auf sich wirken lassen. Eine kissenbeladene Couch und eine Auswahl an Büchern zur Farbentheorie und über verschiedene Künstler laden zum Verweilen und Schmökern ein.

Vorbei an einem Solarmodul verlässt man den Sonnenraum und stößt am Ende der Ausstellung auf das Thema Religion. Spannend ist das geplante Mosaikprojekt für Kinder: Mittels eines riesigen Nachdrucks eines spätantiken Mosaiks der oströmischen Kaiserin Theodora (das Original befindet sich im Mainzer Römisch-Germanischen Zentralmuseum), auf dem die Herrscherin als religiöses Oberhaupt dargestellt ist, wollen die Organisatoren junge Besucher zu eigenen Kreationen inspirieren. Am Ende des Vorhabens sollen die gebastelten Fliesen zu einem großen Kunstwerk zusammengefügt werden.

Ein Kirchenfenster zeigt schließlich noch die Kunst der Glasmalerei. Mit Glück strahlt auch die Sonne durch das Fenster und schenkt dem Besucher einen bezaubernden Abschluss seines Besuchs.

Die Spektrale 2011 ist eine Veranstaltung im Rahmen von "Mainz – Stadt der Wissenschaft" und wird von Vorträgen begleitet. Noch bis zum 14. August 2011 ist sie in der Mainzer Rheingoldhalle zu Besuch. Eintritt für Erwachsene 9,50 Euro, für Kinder 4,50 Euro (Ermäßigungen und Gruppentarife möglich). Geöffnet von 10 bis 18 Uhr (Montag bis Mittwoch, Samstag und Sonntag) bzw. 10 bis 20 Uhr (Donnerstag und Freitag).

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