Am eisigen Faden
Wilkins-Eisschelf
Der Satellit Envisat hat zwischen dem 30. Mai und dem 9. Juli Aufnahmen des Wilkins-Eisschelfes in der Antarktis gemacht und dabei beobachtet, wie sich die große Eisfläche innerhalb weniger Tage fast vollständig vom Festland löste.
Das Wilkins-Eisschelf ist eine Meereisplatte, die südlich von Südamerika am Rand der Antarktischen Halbinsel schwimmt und eine Verbindung zu den Latady und Charcot-Inseln besitzt. Die Eisplatte hatte sich bis in die 1990er Jahre hinein kaum verändert – zum Vergleich rechts ein Bild vom Januar 1992. Dann aber begann das große Schmelzen.
Die letzten großen Veränderungen geschahen im Februar und Mai dieses Jahres. Zuerst verschwanden 400 Quadratkilometer Eis und dünnten die Verbindung zwischen Eisschelf und Festland auf eine Breite von sechs Kilometern aus. Vom 30. auf den 31. Mai 2008 brachen dann noch einmal 160 Quadratkilometer Eis ab und verjüngten die Brücke zwischen Festland und Eisscholle auf eine Breite von gerade einmal 2,7 Kilometern. Das große Eisschelf hängt nun am eisigen Faden. Wenn die Eisscholle sich ganz vom Land löst, wird sie wohl instabil werden und zerbrechen, vermuten die Forscher.
Das Wilkins-Eisschelf ist nur eines von vielen, die in der Antarktis auf den Klimawandel reagieren. David Vaughan vom British Antarctic Survey weist darauf hin, dass Forscher die Geschwindigkeit des Abschmelzens bislang unterschätzt haben. In den 1990ern habe man vorausgesagt, das Wilkins-Eisschelf würde erst in 30 Jahren verloren gehen, dies habe der Satellit nun widerlegt. Es ginge alles rascher als erwartet.
Überdies verwundert es die Forscher, warum gerade jetzt ein solch rapider Schmelzvorgang zu beobachten ist – mitten im antarktischen Winter. Schuld daran könnte eine warme Wasserströmung sein, die die Unterseite der Wilkins-Platte erreicht habe und sie rasch ausdünne. Darauf deuten Daten hin, die mit Hilfe von Seehunden mit Messhelmen aufgenommen werden konnten.
Matthias Braun vom Zentrum für Fernerkundung der Landoberfläche an der Universität Bonn schätzt die Eismenge, die inzwischen verloren gegangen ist, bereits auf 1350 Quadratkilometer. Das entspräche der Fläche von Berlin und München zusammen.
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