Chamäleons auf großer Fahrt
Tarzan Chamäleon
Die Tierwelt Madagaskars ist reich an allerlei skurrilen Sehenswürdigkeiten – und ständig entdecken Biologen mehr. Zum Beispiel Tarzan: Die neue Chamäleonart (hier ein dezent genervtes Männchen mit ausgeprägter Stress-Färbung) haben gerade Forscher um Philip-Sebastian Gehring von der Universität Braunschweig im Regenwald der Insel entdeckt [1].
Leider teilt Calumma tarzan auch das Schicksal vieler Spezies vor Ort: Sein Lebensraum, die mittelhoch gelegenen Regenwälder der zentralen Ostküste, ist auf wenige unzusammenhängende Restbestände geschrumpft, deren Größe oftmals nicht mal der eines Fußballplatzes entspricht. Die gerade erst neu entdeckte Art ist demnach akut vom Aussterben bedroht: Nur sofort eingerichtete regionale Schutzgebieten könnten sie retten.
Wie es die Vorfahren von Tarzan und seinen Chamäleonkollegen einst auf die Insel verschlug, wird derzeit übrigens noch diskutiert. Eigentlich hatten Forscher lange angenommen, die Ahnen der Tiere seien vor Ort gewesen – und schlicht geblieben, als der Superkontinent Gondwana zerbröselte und seine Einzelteile Madagaskar, die Seychellen, Indien und Restafrika hinterließ. Nur die halbe Wahrheit, meinen nun Ted Townsend von der San Diego State University und seine Kollegen: Ganz offenbar sind auch später Tiere von Afrika übers Meer gekommen, um die heutige Fauna zu bilden.
Das Forscherteam schließt dies aus neuen phylogenetischen Analysen, mit denen sie das auf den Seychellen heimische Tigerchamäleon Calumma tigris genauer in den Gesamtstammbaum der Chamäleonsippschaft eingliedern wollten [2]. Die Tiere waren schon zuvor verdächtigt worden, mit den sonst rein madegassischen Calumma-Arten nahe verwandt zu sein. Offenbar, so die gängige Hypothese, sind aus Madagaskar einst Exemplare nordwärts auf die Seychellen geschwommen.
Tatsächlich aber sind die Seychellen-Calumma eng mit afrikanischen Chamäleons der Gattung Archaius verwandt, so die Forscher überrascht. Dies dürfte bedeuten, dass die Chamäleons tatsächlich von Afrika aus übers Meer die Seychellen und auch Madagaskar erreichen konnten, um dort den Genpool durcheinander zu bringen. Wahrscheinlich erlaubten günstige Strömungen einzelnen Tieren die weite Reise übers Meer. (jo)
[1] Gehring, P.-S. et al.: A Tarzan yell for conservation: a new chameleon, Calumma tarzan sp. n., proposed as flagship species for the creation of new nature reserves in Madagascar. In: Salamandra 46(3), S. 151–163, 2010.
[2] Townsend, T.M. et al.: Eastward from Africa: palaeocurrent-mediated chameleon dispersal to the Seychelles islands. In: Biology Letters 10.1098/rsbl.2010.0701, 2010.
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