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Vor 300 000 Jahren: Die ältesten Fußspuren von Menschen in Deutschland

Wo heute das niedersächsische Schöningen liegt, stapften im Mittelpleistozän Frühmenschen durch ein Seeufer. Doch nicht nur Homo heidelbergensis hinterließ dort seine Fußspuren.
Wo Homo heidelbergensis umhertapste

Wo Homo heidelbergensis umhertapste

Dort, wo heute Schöningen in Niedersachsen liegt, erstreckte sich vor etwa 300 000 Jahren ein kilometerlanger See in einer Steppenlandschaft. Damals stapften durch das schlammige Ufer Elefanten, Nashörner, Paarhufer – und Menschen. Sehr wahrscheinlich jugendliche und erwachsene Frühmenschen, die zu den Vorläufern der Neandertaler gehört haben dürften, dem Homo heidelbergensis. Diese Erkenntnis haben Flavio Altamura, Nicholas Conard und ihre Kollegen von der Universität Tübingen und dem Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment aus Fußabdrücken an der Fundstelle von Schöningen gewonnen, die sie Menschen und Tieren zuweisen. Bei den Fußabdrücken der Frühmenschen handelt es sich um die bislang ältesten bekannten ihrer Art in Deutschland. Die Ergebnisse veröffentlichte das Forscherteam im Fachblatt »Quaternary Science Reviews«.

Die Fachleute entdeckten die drei menschlichen Spuren zwischen zahlreichen weiteren Abdrücken von Tieren. Daraus folgern sie, dass vor rund 300 000 Jahren die Frühmenschen im flachen Wasser des Seeufers Nahrung sammelten. »Je nach Jahreszeit waren rund um den See Pflanzen, Früchte, Blätter, Triebe und Pilze verfügbar«, erklärt Altamura gemäß einer Pressemitteilung. Zwei der Fußspuren könnten von Jugendlichen stammen, bei der dritten vermuten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ein Erwachsener habe sie hinterlassen. Wenn sich am Seeufer auch große Säugetiere aufhielten, liegt es nahe, anzunehmen, die kleine Gruppe Frühmenschen war eine Jagdgemeinschaft. Davon gehen die Forschenden jedoch nicht aus: Jugendliche dürften zu unerfahren für die Großwildjagd gewesen sein, eher habe es sich laut Altamura um »einen Familienausflug« gehandelt.

Die Tierspuren, welche die Arbeitsgruppe auch noch an einer weiteren Fundstelle in Schöningen entdeckte, ordnete sie ausgestorbenen Arten zu wie Nashörnern der Gattung Stephanorhinus und der Elefantenart Palaeoloxodon antiquus. Bei Letzterer dürfte es sich um das damals größte Landtier mit bis zu 13 Tonnen Körpergewicht gehandelt haben. Es besaß gerade Stoßzähne und hinterließ in Schöningen Fußabdrücke mit einer Länge zwischen 27 und 55 Zentimetern. Demnach waren wohl Herden mit Jung- und Alttieren durchs Seeufer gewatet.

In Schöningen machten Forschende in den vergangenen Jahrzehnten bereits zahlreiche Funde, darunter neun gut 300 000 Jahre alte Holzspeere des Homo heidelbergensis, ferner eine ebenso alte Stoßlanze und ein Wurfstock. Im feuchten Untergrund des Paläosees hatten sich die hölzernen Artefakte sehr gut erhalten. Seit 1982 führen Fachleute in Schöningen wissenschaftliche Grabungen durch. Grund dafür war die Förderung von Braunkohle im Tagebau.

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