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Marinezensus belichtet skurriles Meergetier
Marinezensus belichtet skurriles Meergetier
Im Meer zu fischen wird nie langweilig, lehrt uns die nach 10 Jahren vorerst beendete marine Volkszählung. Die wissenschaftlichen und ästhetischen Höhepunkte der Jahre 2006 bis 2010 reichen von extrem hitzetoleranten Lebensformen an Tiefseeschloten (sie fühlen sich bei 407 Grad Celsius noch recht wohl) über den Riesen aller Einzeller (mit einem Körperumfang von immerhin einem Zentimeter) und Fischschwärme von der Größe Manhattans oder Gourmetträumen an Riesenhummern bis zur unglaublichen Fülle unbekannten Lebens unter dem Eis der Antarktis. Massen skurril-schöner Unterwasserporträts fielen natürlich auch wieder an.

© Hans Hillerwaert, Census of Marine Life (Ausschnitt)
© Yoshihiro Fujiwara / JAMSTEC (Ausschnitt)
Wohnort: Toter Wal | In tiefen Gewässern überdauern Walkadaver auf dem Meeresboden teilweise mehrere Jahrzehnte und bieten faszinierenden Kreaturen einen Lebensraum. Auf so einem "whale fall" lebt der Vielborster Vigtorniella sp. Dieser Wurm wurde im Rahmen der ersten marinen Volkszählung registriert und abgelichtet. Nach zehnjähriger Arbeit ist diese gigantische Erhebung nun beendet und liefert zahlreiche neue Arten und Bilder des marinen Lebens.
© Jan Michels, Census of Marine Life (Ausschnitt)
Ceratonotus steiningeri | Der bizarre Ruderfußkrebs Ceratonotus steiningeri wurde 2006 in 5400 Meter Tiefe im Angola-Becken entdeckt. Innerhalb eines Jahres fanden Forscher ihn außerdem im Südostatlantik sowie im 13 000 Kilometer entfernten zentralen Pazifischen Ozean. Die Wissenschaftler sind beeindruckt, dass das nur 0,5 Millimeter große Tierchen so weit verbreitet ist und dennoch so lange unerkannt blieb.
© Yoshihiro Fujiwara / JAMSTEC (Ausschnitt)
Einzelstück | Die Schnecke Alviniconcha sp. lebt in einem Gang vulkanischer Aktivität in der Tiefsee von Tokio. Vermutlich handelt es sich hierbei um eine neue Spezies, bisher konnten Wissenschaftler aber keine weiteren Exemplare finden.
© David Shale (Ausschnitt)
Eichelwurm | Eine Forschungsfahrt auf dem Atlantik hat eine Reihe bislang unbekannter Tierarten gefangen - darunter ein paar ästhetische Eichelwürmer wie diesen hier. Sie gelten bisweilen als evolutionäres Bindeglied zu den Wirbeltieren und anderen Chordatieren, weil sie einen Skelettstab ausbilden, der von einigen Biologen als Vorläufer der Chorda dorsalis angesehen wird.
© David Shale (Ausschnitt)
Eichelwurm II | Eine weitere Besonderheit der Eichelwürmer ist ihr Atmungsorgan: Es befindet sich im After, weshalb ihr Klassenname passt: Enteropneusta, die Darmatmer.
© Larry Madin, Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) (Ausschnitt)
Gläserne Ballerina | Im Golf von Mexiko stießen Forscher in 2750 Meter Tiefe auf diese durchsichtige Seegurke, die mit gemächlichen zwei Zentimetern in der Minute über den Boden kroch und dabei beständig Sediment in ihre Mundöffnung schob. Aufgeschreckt durch die Beobachter schwamm sie davon und präsentierte sich in voller Schönheit der Kamera.
© David Shale (Ausschnitt)
Fliegender Elefant | Die auf Grund ihrer ohrgleichen Fortsätze auch Dumbo-Tintenfische genannten Tiefseekragen gehören zu den ältesten und größten Vertretern ihrer Artenfamilie. Bereits seit 100 Millionen Jahren bevölkern die bis zu zwei Meter langen Tiere die Meere in mehr als 3000 Meter Tiefe. Bei diesem Exemplar nehmen Forscher an, es könne sich um eine noch unbekannte Unterart handeln.
© David Shale (Ausschnitt)
Eichelwurm III | Neben den Eichelwürmern - hier eine weitere, noch nicht beschriebene Spezies - begeisterte die Forscher auf der Fahrt der RRS James Cook durch den Nordatlantik die generelle Fülle des Lebens in der Tiefsee. Insgesamt 300 Stunden ließen sie ihren Tauchroboter über beide Seiten des Mittelatlantischen Rückens gleiten. Vor allem seine Nordostseite war dicht besiedelt mit Schwämmen, Tiefseekorallen und Seegurken, die auch dabei beobachtet wurden, wie sie flink durchs Wasser schwammen.
© Marco Büntzow & Paulo Corgosinho, Census of Marine Life (Ausschnitt)
Kleiner Goldschatz | Wer seltene Schätze sucht, der muss tief graben - oder wie in diesem Fall tauchen. Im Schlamm eines Tiefseebeckens vor Westafrika fanden Forscher diesen rund einen Millimeter großen Ruderfußkrebs. Unter dem Elektronenmikroskop gibt das winzige Krustentier seinen komplizierten Aufbau preis. In derselben Bodenprobe fanden sich noch mehr als 670 weitere unbekannte Arten von Kleinkrebsen.
© David Shale (Ausschnitt)
Seltene Begegnung | Dieser orangefarbene Stummelschwanzaal (Neocyema erythrosoma) ist erst der fünfte seiner Art, der sich je auf Film bannen ließ. Das Bild entstand in zwei Kilometer Tiefe in der Nähe des Mittelatlantischen Rückens.
© Census of Marine Life (Ausschnitt)
In die Freiheit | Zwei am Marinezensus beteiligte Forscher entlassen einen markierten Stör ins Wasser. Mit Hilfe von Sendern konnten sie erstmals zeigen, dass sich die Fische vor Vancouver Island längere Zeit tummeln, bevor sie ins Winterquartier nach Alaska weiterziehen. Störe gehören zur Reihe der Knochenfische und sind sehr urtümliche Lebewesen, die teilweise bis zu fünf Meter lang werden.
© National Oceanography Centre, NERC, Census of Marine Life (Ausschnitt)
Unbekannter Vielfraß | Diese noch unbekannte elfarmige Art aus der Seesternordnung der Brisingida profitieren von starken Strömungsgeschwindigkeiten. Diese liefern ihnen konstant Nahrung: gelöste Schwebstoffe in hohen Konzentrationen. Vor Neuseeland entdeckten die Meeresforscher eine regelrechte "Stadt" dieser Seesterne. Auf einem Unterwasserberg tummelten sich Millionen der Tiere, die sich mit ihren Armen Nahrung zuwedelten.
© Max K. Hoberg, Census of Marine Life (Ausschnitt)
Goldene Alge | Auch nahe der Küste der Aleuten bei Alaska haben die Forscher neue Spezies entdeckt - an einem felsigen Küstenabschnitt, der sich stark von den ansonsten in der Arktis dominierenden sandigen Küsten unterscheidet. Neben Seeanemonen, Schnecken und Seesternen befand sich darunter Aureophycus aleuticus. Sie gehören zu den Laminariales, einer Ordnung der Braunalgen, die unter Wasser im klaren, flachen Meer regelrechte Wälder bilden. Im Deutschen werden sie allgemein als Tang bezeichnet.
© Census of Marine Life (Ausschnitt)
Seesterne zum Anfassen | Zensus-Forscher halten gigantische Macroptychaster vor die Kamera. Ausgewachsen können diese Seesterne Durchmesser von bis zu 60 Zentimetern erreichen.
© David Shale (Ausschnitt)
Guter Schwimmer | Dieser Segelkalmar (Histioteuthis bonellii) schwimmt in Tiefen zwischen 500 und 2000 Metern über den mittelatlantischen Rücken. Kalmare gehören zur Gruppe der Zehnarmigen Tintenfische. Einer der Forschungsschwerpunkte des Projekts ist es, Tierbewegungen zu beobachten: Manche Arten lassen sich in ozeanischen Turbulenzen treiben, die die Dimension Irlands haben, andere pendeln regelmäßig 8000 Kilometer über das Meer.
© Gary Cranitch, Queensland Museum, Census of Marine Life (Ausschnitt)
Feilenmuschel | Auf einer Expedition zum Ningaloo-Korallenriff vor Australien wurde diese Feilenmuschel aus der Gattung Lima entdeckt. Die Forscher machten nicht nur Fotos, sondern entnahmen auch DNA-Proben des außergewöhnlichen Individuums. Selbst in den gut untersuchten Gewässern des Großen Barriereriffs, das zahlreiche Taucher frequentieren, können noch hunderte Arten neu entdeckt werden.
Eine weitere Tauchfahrt zum südwestlichen australischen Kontinentalschelf erbrachte ebenfalls rund 170 Spezies an Krabben, Garnelen und anderen Krustentieren, die man zuvor nicht gekannt hatte: Jede dritte gefischte Art war damit eine Neuheit für die Zoologen.
Eine weitere Tauchfahrt zum südwestlichen australischen Kontinentalschelf erbrachte ebenfalls rund 170 Spezies an Krabben, Garnelen und anderen Krustentieren, die man zuvor nicht gekannt hatte: Jede dritte gefischte Art war damit eine Neuheit für die Zoologen.
© Martin Rauschert, AWI, Census of Marine Life (Ausschnitt)
Megaleledone setebos | Ein junger Megaleledone setebos schwamm diesem Fotografen vor die Kamera: ein Tiefseeoktopus. Molekulargenetische Untersuchungen deuten nun darauf hin, dass die meisten heute lebenden Oktopoden von einem Vorgänger abstammen, der vor 30 Millionen Jahren rund um die heutige Antarktis lebte. Als sich die Erde abkühlte und Eis die Meere rund um den Südpol mehr und mehr bedeckte, wanderte er in andere Ozeanbecken ab. Geholfen hat diesen Tieren, dass eine starke thermohaline Zirkulation in Gang kam: eine in der Tiefe des Ozeans kühle und salzhaltige Strömung - eine Art Rennbahn in der Tiefsee.
In den neuen Heimaten spalteten sich dann viele verschiedene Linien ab und bildeten neue Arten. Manche verloren dabei auch ihren Tintensack, aus dem sie im Falle eines Angriff eine dunkle Flüssigkeit pressen. Sie soll Feinde verwirren und die Flucht ermöglichen - in der lichtlosen Dunkelheit der Tiefsee war sie aber nutzlos und wurde bisweilen abgeschafft.
In den neuen Heimaten spalteten sich dann viele verschiedene Linien ab und bildeten neue Arten. Manche verloren dabei auch ihren Tintensack, aus dem sie im Falle eines Angriff eine dunkle Flüssigkeit pressen. Sie soll Feinde verwirren und die Flucht ermöglichen - in der lichtlosen Dunkelheit der Tiefsee war sie aber nutzlos und wurde bisweilen abgeschafft.
© Larry Madin, Woods Hole Oceanographic Institution (WHOI) (Ausschnitt)
Unbekanntes Schwimmobjekt? | Die Qualle Aequorea macrodactlya wandert durch die warmen Gewässer der Sulawesisee, einem Randmeer des Pazifischen Ozeans. Ihre rundliche Form und das schwache Leuchten lässt sie wie ein Raumschiff der Meere erscheinen. Vor Japan wiederum entdeckten Biologen in über 7000 Metern Tiefe eine Quallenart - neuer Rekord für diese Tiergruppe: Noch ist völlig ungeklärt, wovon sie sich dort unten ernährt.
© Humberto Bahena, ECOSUR, Census of Marine Life (Ausschnitt)
Ein behagliches Zuhause | Das Banco-Chinchorro-Riff vor Mexiko ist das Zuhause vieler Schwalbenschwänzchen, der artenreichsten Gattung der Riffbarsche, sowie vieler weiterer Fischarten. Insgesamt wurden allein im Golf von Mexiko schon mehr 15 600 Arten aus 40 Stämmen nachgewiesen.
© Carola Espinoza, Census of Marine Life (Ausschnitt)
Riesenbakterien | Gigantische Schwefelbakterien bewohnen die anoxischen Sedimente des östlichen Südpazifiks. Der Durchmesser des hier zu sehenden autotrophen Bakteriums beträgt acht Mikrometer - sie sind so groß, dass ihnen die Wissenschaftler den Beinamen "Behemoth" gegeben haben: den Namen eines Ungeheuers der jüdisch-christlichen Mythologie.
Die mehrzelligen Bakterien könnten lebende Fossilien sein, die sich im frühen Ozean gebildet haben, als es noch keinen oder nur sehr wenig Sauerstoff gab. Da sie in sauerstoffloser Umgebung leben können und sich von Schwefelwasserstoff ernähren, erhoffen sich Forscher von ihnen Erkenntnisse über mögliche extraterrestrische Lebensformen.
Die mehrzelligen Bakterien könnten lebende Fossilien sein, die sich im frühen Ozean gebildet haben, als es noch keinen oder nur sehr wenig Sauerstoff gab. Da sie in sauerstoffloser Umgebung leben können und sich von Schwefelwasserstoff ernähren, erhoffen sich Forscher von ihnen Erkenntnisse über mögliche extraterrestrische Lebensformen.
Im Meer zu fischen wird nie langweilig, lehrt uns die nach 10 Jahren vorerst beendete marine Volkszählung. Die wissenschaftlichen und ästhetischen Höhepunkte der Jahre 2006 bis 2010 reichen von extrem hitzetoleranten Lebensformen an Tiefseeschloten (sie fühlen sich bei 407 Grad Celsius noch recht wohl) über den Riesen aller Einzeller (mit einem Körperumfang von immerhin einem Zentimeter) und Fischschwärme von der Größe Manhattans oder Gourmetträumen an Riesenhummern bis zur unglaublichen Fülle unbekannten Lebens unter dem Eis der Antarktis. Massen skurril-schöner Unterwasserporträts fielen natürlich auch wieder an.
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