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Ooide: Eiersteinchen werfen neues Rätsel der Erdgeschichte auf

Wie sich komplexe Lebensformen entwickelt haben, besagt etwa der Gehalt an gelöstem Kohlenstoff in den Urmeeren. Doch nun tut sich rund eine Milliarde Jahre vor heute eine Lücke auf.
Nahaufnahme eines Gesteins mit konzentrischen, ovalen Schichten in verschiedenen Brauntönen, die einen blauen, kristallinen Kern umgeben. Die Textur der Schichten variiert von glatt bis körnig. Das Bild zeigt die natürliche Struktur und Farbvielfalt des Gesteins.

»Eierchen« mit uraltem Kohlenstoff

Wie winzige Eier sehen die Steinchen aus, in denen Jordon Hemingway von der ETH Zürich und sein Team jahrmilliardenalte Kristallschichten freilegten. Aus den zirka zwei Millimeter großen Steinchen aus Eisenoxid haben die Fachleute die Menge an organischem Kohlenstoff ermittelt, der vor bis zu 1,65 Milliarden Jahren im Meer gelöst war. Anders als bislang vermutet, zeigte sich dabei, dass der Gehalt an Kohlenstoff über einen Zeitraum hinweg, der vor einer Milliarde Jahre einsetzte und zirka 460 Millionen Jahre dauerte, sehr viel geringer war als heute. Damit stellen Hemingway und seine Gruppe bisherige Theorien zur Entstehung von komplexem Leben und der Entwicklung von Eiszeiten in Frage, wie sie in »Nature« berichten.

Die uralten Steinchen, sogenannte Ooide, wurden im Lauf der Jahrmilliarden über den Meeresgrund geschleift und legten so Schicht um Schicht zu. Dabei sammelten die Ooide auch organische Stoffe auf und lagerten sie ein. Diese Verunreinigungen nutzten Hemingway und seine Kollegen, um den damaligen Kohlenstoffgehalt im Ozean zu bestimmen.

Solchen organischen Kohlenstoff produzieren beispielsweise Phytoplankton und Bakterien, die per Fotosynthese auch Sauerstoff herstellen. Sterben die Kleinstlebewesen, sinken sie entweder ab und lagern sich am Meeresgrund – der Kohlenstoff bleibt dann dem Ozean entzogen. Oder aber sie werden von anderen Mikroorganismen zersetzt, was wiederum den im Wasser gelösten Kohlenstoff anreichert. Der vom Plankton produzierte Sauerstoff begünstigte nun die Entstehung und Entwicklung komplexer Lebensformen, also mehrzelliger Organismen, die ihren Stoffwechsel mit Sauerstoff betreiben.

Fachleute gingen bislang davon aus, dass der Sauerstoffgehalt in zwei Abschnitten der Erdgeschichte stark angestiegen war: Erstmals sei dies vor 2,4 bis 2,1 Milliarden Jahren geschehen, dann kam es vor 800 bis 542 Millionen Jahren zu einem weiteren Sauerstoffereignis. Zugleich hatte jeweils eine globale Eiszeit geherrscht. Wenn die Sauerstoffereignisse die Entstehung von Leben angekurbelt hatten, müsste auch mehr organischer Kohlenstoff im Ozean gelöst gewesen sein. Doch anders als bisher angenommen, war dies nicht durchgehend der Fall. Hemingway und sein Team ermittelten für die Phase von vor 1000 bis vor 541 Millionen Jahren nur wenig gelösten Kohlenstoff im Meerwasser. Davor sei der Anteil noch ähnlich hoch gewesen wie heute, dann aber um 90 bis 99 Prozent gefallen.

Unklar sei nun, was es mit diesem Widerspruch auf sich hat. Eine mögliche Erklärung sei, dass die Lebewesen in der ermittelten Phase größer waren als zuvor, heißt es in der »Nature«-Studie. Beim Absterben seien sie deshalb rascher zu Boden gesunken, wo sie sich ablagerten und lange Zeit nicht in den Kohlenstoffkreislauf zurückgelangten.

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