Sonnenforschung: Rekordverdächtige Flecken auf der Sonne

Historisch große Gruppe von Sonnenflecken
Sonnenflecken gehören zu den markantesten Strukturen auf der sichtbaren Sonnenscheibe. Starke Magnetfelder bremsen den Aufstieg heißen Plasmas aus dem Inneren, wodurch die Oberfläche lokal um etwa tausend Grad Celsius abkühlt – genug, um als dunkler Fleck zu erscheinen. Doch der optische Kontrast täuscht: Sonnenflecken sind magnetisch sehr aktiv. Häufig ereignen sich dort Ausbrüche und koronale Massenauswürfe (englisch: coronal mass ejections, CMEs). Treffen diese auf die Erde, können sie dort geomagnetische Stürme und Polarlichter auslösen.
Aktuell rotiert einer der größten Fleckenkomplexe des 25. Sonnenzyklus über die südlichen Bereiche der sichtbaren Sonnenscheibe: Die eng benachbarten Regionen AR 4294 und AR 4296 bilden zusammen mit dem weiter westlich liegenden Fleck AR 4298 eine zusammenhängende Struktur, die am vergangenen Dienstag rund 2000 Millionstel der sichtbaren Sonnenscheibe bedeckte. Was nicht nach viel klingt, entspricht einer Längsausdehnung von rund 180 000 Kilometern – deutlich größer als der Durchmesser von Jupiter und jede andere Sonnenfleckengruppe in diesem Jahr. Es ist eine der beeindruckensten Formationen seit der gewaltigen Gruppe AR 2192 im Jahr 2014. Mehrere der dunkleren Kernbereiche sind sogar größer als die Erde selbst.
Schon Tage bevor wir die Gruppe sehen konnten, beobachtete der NASA-Rover »Perseverance« die Sonnenflecken AR 4294 und AR 4296 vom Mars aus. Weil der Rote Planet derzeit fast gegenüber der Erde zur Sonne steht, ließen sich die Flecken von dort aus früher beobachten. Inzwischen ist der gesamte Komplex auch von der Erde aus gut sichtbar, wird aber schon bald wieder hinter dem westlichen Sonnenrand verschwinden. Seine tagesaktuelle Position lässt sich auf der Webseite »Spaceweather« oder auf den Echtzeitbildern der Raumsonde SOHO verfolgen.
Mit ihrer Dimension erinnert die Gruppe an den berühmten »Carrington-Fleck« von 1859. Dieser sorgte für den bisher stärksten Sonnensturm der Neuzeit. Polarlichter waren damals in Rom und Havanna zu sehen, Telegrafen sprühten Funken und das Papier in den Empfangsgeräten fing Feuer. Auch die aktuellen Sonnenflecken zeigen Aktivität. Anfang der Woche registrierte das NOAA/Space Weather Prediction Center (SWPC) einen kräftigen Ausbruch aus dem nördlich angrenzenden Fleck AR 4295, der im hohen Norden der Erde für Polarlichter sorgte und über Australien sogar Funkausfälle verursachte. Weitere heftige Eruptionen, auch direkt aus dem großen Fleckenkomplex, könnten jederzeit folgen.
Wichtig dabei ist: Sehr große Flecken bedeuten nicht automatisch ein Carrington-ähnliches Ereignis – die Stärke eines auf der Erde auftretenden geomagnetischen Sturms hängt stark davon ab, ob die Eruption auf der Sonne genau in Richtung der Erde zeigt, wie schnell sich der folgende CME durch den interplanetaren Raum bewegt und wie dessen Magnetfeld orientiert ist.
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